Samstag, 2. März 2013

SR 01 Das Erwachen des Schwarzen Ritters


„Aufgrund ihres, durch das Seherchor bestätigte, Schuldeingeständnisses verurteilt dieses Gericht Sie im Namen aller Bewohner Mesas, für die brutale Vergewaltigung und Ermordung von Magret Holler, Allin Graßmann, Katherina Kagerbauer, Ella Koninck, Christina Nirsch, Elena Fischer, den Geschwistern Christa und Madelena Egginger, Agnes Aigner“, er holt langsam Luft, „Dorothea Sailer, Allin Zeintl und Anna Benz hiermit zum Tode und zur ewigen Hölle im Reiche des Gottes der Sünde!“

   Der Hammer schlägt auf und die Menge jubelt. Frenetischer Applaus füllt den Saal. Sie brüllen ihren Hass heraus, auf den Mörder ihrer Enkel, Töchter, Cousinen, Ehefrauen, Geliebten und Schwestern. Selbst die unter ihnen, die nie einem der Opfer begegneten, schreien ihren Hass heraus. Doch das alles ist dem Verurteilten egal. Wie seit Beginn des wochenlangen Prozesses sitzt er einfach nur da und schaut ins Leere, bis ihn zwei der Wachen packen und wegschleppen. Es sind keine Paladine oder Wächter wie bei vielen anderen Schwerverbrechern. Nein, dieser Mann ist weder magiebegabt noch mit irgendeiner höheren Macht im Bunde. Tatsächlich wäre er nicht einmal eine Gefahr für die beiden Wachen wenn sie ihn von den zwei massiven Stahlketten befreien würden.

Und so wandern diese Drei in Stille durch die Mauern des Justizturmes, von der Halle der Anklage hinunter in die Halle der Toten. Zwei kurze Worte von den beiden Torwachen und ein unsichtbarer Mechanismus öffnet die massiven Eisentore. Die starren Augen des Verurteilten liegen nun auf der riesigen Halle hinter den Toren. Weit über 300 Leichen füllen den Raum, alle noch angekettet und durchbohrt mit einem oder mehreren Schwertern, stumme Zeugen der letzten Stunde dieser Männer, Frauen, Wandlern, Riesen und anderen Bestien. Weit über die Hälfte der Schwerter sind bereits durch Rost kurz vor dem Zerfall. Kein Wunder, es geschieht sehr selten das jemand zu einer so hohen Strafe verurteilt wird.

Die Drei nähern sich ihrem Ziel, dem Ende dieser langen und grotesken Reihe an Mördern. An seinen Platz gebracht drücken die beiden Wachen ihn nieder und sowohl seine Arme als auch seine Füße werden angekettet. Der von den Wachen erwartete Wiederstand bleibt aus. Der Ältere zieht seine Klinge, kein besonderes Prunkstück, wie es wohl viele der anderen Schwerter in dieser Halle sind.
   „Noch ein paar letzte Worte?“, fragt ihn der Ältere.
   Keine Antwort.
   „Gut, Leide!“ und mit diesem letzten Wort stößt er zu und die Welt wird dunkel.

Schmerz, unendlicher Schmerz, Ich spüre nichts als Qual und Leid.
   „Wer bist du?“
   Es ist unerträglich, meine Füße fühlen sich an als würden sie verbrennen.
„Wer bist du?“
   meine Hände fühlen sich an als werden sie mir abgerissen. Oh Gott dieser Schmerz. Ich kann nicht klar denken.
   „WER BIST DU?“
   Schmerzerfüllt versucht er seine Augen zu öffnen und starrt in das Antlitz eines Menschens? Nein, das ist kein Mensch. Augen, Augenbrauen, Nase und ein Mund. Sonst nichts, keine Unebenheiten, absolut nichts, er ist perfekt….ein Gott.
   „Richtig du Abschaum, doch ich bin nicht nur ein Gott.“ Er packt ihn an der Kehle und hebt ihn mühelos hoch. In seinen Augenwinkeln sieht er zum ersten Mal wo sie stehen. Sie befinden sich am Rande einer weiten kargen Ebene. In der Ferne schleppen gewaltige und missgestaltete Sklaven riesige Steine in Richtung der einzig sichtbaren Stadt. Keine zwanzig Meter entfernt breitet sich ein riesiger weiter See aus. In dem schwachen Licht der zwei halb verdeckten Sonnen wirkt er vollkommen Schwarz. „Ich bin Nefas, der Gott der Sünde! Dies ist mein Reich. Hier leiden die abartigsten Wesen eurer verfluchten Welt und nun sag mir“, er schleudert ihn so heftig auf den Boden das jeder Sklave auf der Ebene seine Knochen splittern hört, „was macht ein Unschuldiger in meinen Reich?“
   Der junge Mann windet sich vor Schmerz, er würgt und kotzt seine Henkersmahlzeit, inklusive Teile seiner Eingeweide heraus. In dieser Welt gibt es keinen Tod, keine süße Ohnmacht, nur ewige Schmerzen. „M, mein kleiner Bruder. Er war es, er ist, ist vom rechten Weg abgekommen. Er hat diese Dinge mit den armen Frauen getan, diese unaussprechlichen Dinge.“ Er beginnt zu weinen. „Erst habe ich es nicht bemerkt, dass etwas mit ihm nicht stimmt oder vielleicht wollte ich es auch einfach nicht wahrhaben, aber dann kahmen die Gardisten und stellten Fragen. Da begriff ich was mein Bruder getan hatte. Ich habe versucht ihn aufzuhalten, damit er kein neues Opfer finden würde. Aber ich habe versagt, wieder einmal.“ Inzwischen weint und schluchzt er unerträglich.
   „Und dann hast du seine Schuld auf dich genommen und behauptet du hättest sie alle getötet? Und wurdest deswegen auf ewig an mein Reich gefesselt? Wie dumm und jämmerlich.“
   Ein gegurgeltes Lachen kommt aus der Kehle des Mannes „Ja, vermutlich. Ich war nie als sonderlich schlau verschrien.“
   Langsam schüttelt der Gott seinen Kopf. Sein makelloses langes Haar schwingt von einer Seite zur nächsten. „Was soll ich nur mit dir machen? Du bist kein Sünder, dein Leid gibt mir nicht was ich will. Du bist auch nicht stark, damit du mir als Slave dienen könntest. Nein, du bist einfach nur unschuldig. Unschuldig, ja.“ Schweigend blickt der Herr des Leids hinaus auf die schwarze See. „Ja, keiner der anderen Götter könnte Einspruch darüber erheben das ein Unschuldiger sich in der Sphäre der Menschen bewegen würde. Du könntest dort für mich ernten. Ja das würde mir gefallen.“
   „Ernten?“, gibt der Mann vollkommen verunsichert von sich.
   „Seelen. Du wirst in die Sphäre der Menschen gehen und mir jede Seele von jedem Sünder dem du begegnest überbringen. Ausnahmslos.“
   Vollkommen panisch versucht der Mann mit seinen gebrochenen Gliedern davon zu robben. „Nein, niemals, das will ich nicht!“
   „Als ob du eine Wahl hättest, du bist an mein Reich, meine Sphäre und damit an mich gebunden!“ Auf einen unsichtbaren Befehl hin packen zwei der Sklaven den Mann. Der eine ein bis auf die Unkenntlichkeit hin verkrüppelter Riese und der andere ein ebenso starker wie verkrüppelter Mensch. Er hat keine Chance.
   „So, jetzt müssen wir dich nur noch in deren Sphäre bekommen. Mh, das Problem ist, du bist an meine Sphäre gebunden. Du müsstest also etwas mitnehmen. Etwas Umfassendes.“ Wieder blickt er in die schwarze See. „Ja, du wirst sie mitnehmen“, sagt er während er auf die See zeigt.
   Der Mann folgt dem Fingerzeig. „Das Wasser?“
   Nefas lacht. „Wasser? Ach du dummer Mensch. Das sind die Überreste meiner gebrochenen Sklaven. Ihre Seelen, gefüllt mit all ihrem Leid und ihrer Qual. Du hast ja schließlich begriffen das ihr diese Welt nicht verlassen könnt, egal wie sehr ich euch zermalme, oder? Dort werfe ich eure Reste rein.“
   „Nein, nein, Neeeein!“, er wehrt sich mit all seiner Kraft. Er zieht und reißt an seinen Armen damit er sie losbekommt.
   Doch vergebens, die Sklaven schleifen ihn mit. Runter von der Ebene, hin zu einen tieferen Ort, wo sie ihn anketten. Entsetzt starrt er nach oben auf eine Rinne.
   „Eigentlich ist dieser Ort für schwere Bestrafungen gedacht. Die Schotten werden kurz geöffnet und die Sklaven bekommen ein paar Tropfen des ‚Wassers‘ ab. Aber für deinen Fall müssen die Schotten ein ‚wenig‘ länger geöffnet werden“
   Wieder auf ein unsichtbares Signal hin steigt der menschliche Sklave hoch und dreht an einem Ventil. Erst langsam und dann immer schneller und schneller. Die Schotten öffnen sich und quälend langsam fließt die dickflüssige Substanz in der Rinne hinunter, bis die ersten Tropfen den Mann treffen und dann … Schmerz.
   Die Schmerzen und Qualen von hunderttausenden Wesen fließen zusammen in diese eine arme Seele und sie schreit. Oh, sie schreit so heftig, jeder Sklave in der Sphäre hört sie und wird von ihrem Schmerz erfasst.

Das Ventil wird geschlossen, die Schotten schließen und der Fluss versiegt. Der Gott steht vor ihm und blickt auf sein Werk herab.
   „Steh auf!“
   Und so geschieht es. Das Wesen erhebt sich, die Ketten zerfallen. Er steht vor ihm, gewachsen und nun leicht größer als Nefas selbst. Ein Wesen vollkommen in Schwarz gehüllt. Eine makellose Rüstung, keinerlei Unebenheiten, keine Scharniere und kein Visier. Einzig eine kleinere Einbuchtung deutet auf den Standort seiner nun blinden Augen hin.
   „Ja, perfekt, makellos! Jetzt geh, töte jeden Sünder den du siehst und bring mir ihre Seelen! Dein Schwert wird dich in ihrer Sphäre erwarten.“
   Aus den Tiefen der Rüstung erklingt seine Antwort: „Wie ihr befiehlt Gebieter.“

Die Welt um ihn herum zerbricht, die Existenz zerbröckelt und eine neue formt sich. Wieder in der alten Halle. Sein Blick wandert nach links und er erblickt die bekannten Gesichter der Toten an denen er vorbei gewandert ist. Doch es ist der blinde Blick nach rechts, der ihn erstarren lässt. Die Reihe geht weiter, über vierzig neue Leichen sind dort aufgereiht.
   Wie viele Jahre sind vergangen?
   Das Echo seines neuen Meisters erklingt in seinem Kopf: „Etwa hundert Jahre hat es gedauert deine Rüstung zu schmieden. Es ist selten, dass ich so viele Jahre meiner kostbaren Zeit für ein so niederes Wesen wie dich vergeude, du solltest dich glücklich schätzen.“
   Hundert Jahre? Mein Bruder. Was ist mit meinem Bruder geschehen?
   „Mhm, zwei Jahre nachdem du hingerichtet wurdest hat er es wieder getan.“
   Nein.
   „Er hat die jüngste Tochter des Dorfältesten abgeschlachtet, in dessen Dorf du ihn versteckt hattest. Sehr dankbar der Kleine. Leider haben sie ihn schnell entlarvt und ihn auf dem Dorfplatz öffentlich ausgeweidet. Sie haben ihn mir nicht einmal geopfert. Was für eine Verschwendung. Für ihn hätte ich eine gute Verwendung gehabt. Nun gut, jetzt nimm deine Waffe und erfüll deine Aufgabe!“
   Mein kleiner Bruder … Es tut mir leid, ich habe wieder versagt.
   Langsam erhebt er sich und die Ketten zerbrechen. Er blickt hinab auf das Schwert was nun aus seiner schwarzen Rüstung herausragt. Die Klinge ist verrostet und es sind bereits Teile herausgebrochen. Doch das wird genügen. Er packt den Griff und zieht die Klinge mit einen Ruck heraus. Makellos blitzt die Rüstung auf in der Finsternis, auch dort wo eben noch das Schwert war.
   Von den Lärm aufgeschreckt kommen zwei der Torwachen angerannt und blicken entsetzt auf die riesige gerüstete Gestalt vor ihnen. Vollkommen in Schwarz gehüllt, einzig und allein die graue rostige Klinge in seiner Hand hebt sich von ihr ab. Sie wandert vollkommen unbeeindruckt von dem ihr entgegen gereckten Schwertes der ersten Wache weiter. Die Klinge streift einfach über die Rüstung ohne einen Schaden zu hinterlassen. Erst vor der zweiten Wache bleibt der Gerüstete stehen und seine tiefe und monotone Stimme erklingt: „Du hast deine Frau vergewaltigt, Sünder.“
   Und mit diesen Worten reißt er sein rostiges Schwert hoch und schlägt die Wache entzwei.
   Noch während die andere Wache versucht zu begreifen was gerade geschehen ist, beginnt der tote Leib seines Kameraden zu zucken. Langsam aber stetig wabert ein gelb-weißer Dunst aus der Leiche hoch in die rostige Klinge.

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„Dieses in Schwarz gerüstete Wesen wurde als der Schwarze Ritter bekannt. Er existierte knapp vierhundert Jahre in dieser Welt und tötete in dieser Zeit tausende Menschen. Alle waren es ausnahmslos Kinder der Sünde, Menschen die die drei großen Sünden begangen haben: Töte ein geliebtes Wesen, Schände ein Leben und ernähre dich von den Menschen. Nie verletzte er auch nur einen Unschuldigen. Dies war vermutlich auch der Grund warum keiner der Wächter sich jemals gegen ihn wandte. Seine Existenz hat viele Dinge in dieser Welt verändert. So war er es, der die Schrecken im Mesaschen Adel offenbarte und auch wenn seine Taten niemals eine Inspiration seien sollten, kann man doch davon ausgehen, der schwarze Orden ist aus seinem Vorbild heraus entstanden.

Wahrlich man kann behaupten sein Erwachen hat die Welt verändert. Doch es war sein Fall, der absolut alles auf den Kopf stellte.“ – Zitat aus „Götterfall“

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