Genervt blickt Mark auf. Drei Meter von ihm entfernt sitzt
ein Großteil seiner gesamten Familie und unterhält sich am großen Esstisch im
Wohnzimmer, während er es sich alleine auf der Couch bequem gemacht hat.
Das
Essen findet seit knapp sieben Jahren bei seinen Eltern statt. Sowohl sein
Großvater mütterlicherseits, als auch seine Großeltern väterlicherseits sind
gekommen. Genau wie Bruder und Schwester seiner Mutter und der Bruder seines
Vaters, inklusive Ehefrau und Kleinkind. Zu guter Letzt kommen dann noch die
beiden Kinder seines Onkels mütterlicherseits hinzu, womit heute insgesamt
dreizehn Leute plus Familienkatze im Haus sind. Knapp eine halbe Stunde ist
seit dem alljährlichen Familienessen im Sommer vergangen, was, gegen dem Willen
von Marks Mutter, drinnen aufgetischt wurde. Das launische Wetter hat ihr
leider einen Strich durch die Rechnung gemacht, es regnet. Genauso mies wie das
Wetter blickt auch Mark drein, als er dem Gespräch am Tisch lauscht. Sein Onkel
Heiko streitet sich lautstark mit seinem Vater und Großvater über dieses
korrupte Bänkerpack, wie er sie so gerne nennt. Wobei es weniger ein Streit um
das Für und Wieder des kapitalistischen Systems ist, denn da sind sie sich
einig. Nein, es geht eher darum, wer von ihnen diese Leute mehr hasst. Mark hat
es inzwischen aufgegeben sich da einzumischen, auch wenn sie gegen seine eigene
Zunft wettern. Aber mit schlüssigen Argumenten, so hat er feststellen müssen,
kommt er bei ihnen nicht sonderlich weit. Kopfschüttelnd wendet er sich wieder
seinem Smartphone zu und damit seinem Kumpel Steve, mit dem er gerade chattet:
„Jetzt fängt er
wieder mit diesem alten Mist an. Ich hab dir doch mal gesagt mein Onkel hat vor
drei Jahren knapp sechs Tausend verloren. Er hatte auf Anraten von seinem
bescheuerten Kumpel Tim in so ein komisches IT-Startup investiert, oder?“,
fragt er Steve.
„Green-Irgendwas?
Ja, ich erinnere mich. Du hattest ihm doch davon abgeraten, oder?“
„Ja, aber natürlich
hat der Sturkopf nicht auf mich gehört. Tim weiß das, der kennt sich damit
aus“, lästert er. „Er hat ja Informatik studiert. Super, hätt er lieber BWL
studieren sollen, dann wär ihm vielleicht auch deren Businessplan aufgefallen.
War kein Wunder, dass diese Klitsche nach einem halben Jahr den Bach
runtergeht. Jetzt erzählt er wieder wie die phösen Bonzen das arme kleine
Unternehmen fertig gemacht haben. Lächerlich.“
„Haha, warum gehst
du überhaupt noch zu diesen Feiern? Du wohnst doch seit zwei Jahren nicht mehr
zu Hause.“
„Pff, als ich das
Thema auch nur angeschnitten hatte, hat meine Mutter schon Tränen in den Augen
bekommen. Keine Chance.“
„lol, Weichei.“
„Leck mich!“
„Nein, aber danke
für das Angebot.“
Gerade als Mark
über die Antwort schmunzelt bemerkt er seine Mutter vor sich. Fragend sieht er
sie an. „Ist was?“
Seine Mutter
schiebt eine ihrer bereits zur Hälfte ergrauten Haare hinter ihr Ohr, ehe sie
antwortet. „Ich wollte fragen, wann du dich wieder zu uns setzt? Ist doch besser
als hier alleine rumzusitzen, oder?“
„Ich hab grad noch
Geschäftliches zu erledigen. Ich komm gleich wieder an den Tisch, ok?“
Kurz erstaunt sieht
sie das kleine schwarze Gerät in seiner Hand an und nickt dann. „Gut, lass dir
Zeit“, antwortet sie ihm und geht wieder zurück an ihren Platz am Tisch.
Mark widmet sich
inzwischen wieder seinem Chat: „Betriebsabrechnungsbogen, Handelskalkulation
und Umlageschlüssel.“
„Autokorrektur oder
was soll das?“
„Nein, ich hab nur
gerade gesagt ich hätte ein Geschäftsgespräch. Jetzt ist es eins :P“
„lol, dann kannst
du es auch gleich von der Steuer absetzen.“
„Geht nicht. Mein
Chef zahlt leider die Rechnung. Ist mein Diensthandy xD“
„Muhaha. Na so
geht’s auch. Wie lange hast du denn noch, bis du dich dem gesellschaftlichen
Druck beugst und an dem sozialen Beisammensein teilnehmen musst?“
„Keine Ahnung
vielleicht fünf Minuten oder so. Gott, das wird wieder so langweilig.“
„Ist denn echt
keiner da mit dem du dich unterhalten kannst?“
„Nope.“
„Keiner in deinem
Alter?“
Mark blickt erneut
auf und schaut sich um. Dabei bleibt sein Blick an Beatrice hängen. Als sie
seinen Blick bemerkt zeigt sie ihm kurz ein schüchternes Lächeln. Stirnrunzelnd
schaut er wieder auf sein Smartphone und schreibt: „Mh, höchstens meine kleine
Cousine Bea. Die ist vielleicht vier Jahre jünger als ich.“
„Dann müsst sie
jetzt Achtzehn sein? Perfekt, Volljährig! Ist sie heiß?“
„Alter, hast du den
Punkt überlesen, wo ich gesagt habe, sie ist meine Cousine?“
„Ersten oder
zweiten Grades?“
„Gott, das ist mir
doch egal. Ich knall doch keine Cousine von mir! Außerdem würd ich sie nicht
als heiß bezeichnen. Sie ist klein, dürr und trägt immer lange Klamotten.
Wüsste ich nicht wie alt sie ist, hätt ich sie für dreizehn oder vierzehn
gehalten.“
„Hey, es liegt
nicht an mir drüber zu urteilen auf was andere Leute stehen. Manche mögen es
halt ein wenig jünger …“
„Du hast einen
Schaden, hat dir das mal jemand gesagt? Ich hab aber eh nicht viel mit ihr zu
tun. Früher haben sich unsere Eltern öfters getroffen. Da ist sie mir immer
hinterher gewatschelt und hat mich genervt. Nachdem ihre Mutter vor fünf Jahren
gestorben ist, ist der Kontakt fast komplett abgebrochen.“
„Und? Geh halt
trotzdem zu ihr und unterhalt dich. Besser als dumm rumzusitzen.“
„Über was sollt ich
mich denn mit ihr unterhalten? Über meinen Job? Sie würd ja nicht einmal
verstehen was ich mache. Sie ist nicht unbedingt der hellste Licht in unserer
Familie, wenn du weißt was ich meine.“
„Na es gibt ja noch
andere Sachen die ihr machen könnt. Du weißt doch: Dumm fickt gut.“
„1. Cousine! 2.
Wenn das stimmen würde, warum beschwert sich denn Susi darüber, dass du so
scheiße im Bett bist?“
„Vermutlich hat sie
mich mit ihrem Yoga-Trainer verwechselt. Das ist ihr in den letzten Monaten
schon öfters passiert.“
„Ernsthaft?“
„Sonst hätt ich die
Schlampe nicht letzte Woche rausgeschmissen.“
Erstaunt überlegt
Mark. Er hatte sie eigentlich für echt nett gehalten. Vielleicht ein wenig zu nett,
wenn er es sich recht überlegt. Er schreibt zurück: „Fuck, das ist ja mal echt
beschissen. Lust auf eine Runde Frust-Saufen?“
„Das wär was. Und
dazu in einen Stripclub!“
Kopfschüttelnd
antwortet Mark: „Na von mir aus. Nächsten Samstag?“
„Warum nicht am
Freitag? Dann hätt der Kater mehr Zeit um sich zu verpissen.“
„Geht nicht. Da hab
ich Konzerttickets.“
„Für?“
„In Extremo. Willst
du vielleicht mit?“
„Nein, danke.
Kannst du nicht mal zu ein paar vernünftigen Konzerten gehen?“
„Sorry, aber ich
hab keine Lust vierzig Euro auszugeben für Sound, den ich auch hören könnte
wenn ich unser Fax anrufe. Das spielt dann sogar auch länger.“
„lol, Touché. Gut,
ok. Dann halt Samstag.“
„Gut, ich muss
jetzt. Wir sehen uns dann am Montag. Heul dich mal schön in den Schlaf.“
„Das passiert mir
höchstens wenn ich mir die Rechnung für heut Abend ansehe. Gut das Nutten keine
ausstellen :P“
Kopfschüttelnd
lässt Mark die Nachricht unbeantwortet und wandert langsam wieder zurück zum
Tisch.
Dort angekommen setzt er sich auf seinen Stuhl neben seine
Mutter und gegenüber seinem Onkel.
Dieser begrüßt ihn
sofort: „Na, gesellt sich der Herr auch mal wieder zu uns? Konntest du wieder
einen armen Schlucker einen überteuerten Kredit verkaufen?“
Seine Mutter zischt ihren Bruder sofort an:
„Heiko!“
Mark allerdings
nimmt das ganz gelassen. So etwas hat er sich schon öfters anhören müssen. „Ich
hab nichts mit unseren Kunden zu tun“, erklärt er ihm langsam. „Habe dir doch
schon oft genug erklärt, dass ich im Risikomanagement arbeite. Das ist der
Bereich, der unter anderem auch überprüft ob sich eine Investition lohnt. Ich
weiß ja, du hast keine Ahnung davon. Das hast du ja bei den Green-Futzies
bewiesen. Aber kannst du dir zumindest merken in welchen Bereich ich arbeite?“
antwortet er mit einem bissigen Unterton.
Das hat gesessen.
Sein Onkel wendet sich murrend ab und unterhält sich wieder mit seinem Vater.
„Das war nicht nett
Mark“, tadelt ihn seine Mutter, „trotzdem: Guter Konter“, lobt sie ihn leise.
Wieder lauter fragt sie ihn: „Ist alles in Ordnung an der Arbeit?“
„Ja, war nichts
Dringendes. Ein Kollege wollte nur wissen, wo ich die Unterlagen für ihn
hingelegt habe.“
„Ach dann ist ja
gut. Ich dacht schon du müsstest deinen Urlaub absagen.“
„Urlaub?“, fragt er
sie verwirrt.
„Nächste Woche.
Hast du dir nicht freigenommen für das Konzert?“
„Das ist am
Freitag. Warum sollte ich mir da extra freinehmen?“
Sein Cousin Georg
mischt sich ein. „Hattest du Bea nicht gesagt es wäre am Mittwoch?“ Er ist das
ältere Kind von Heiko und ist knapp so breit wie er hoch ist. Was nicht
unbedingt wenig ist. Er reicht Mark fast bis zur Nase und der ist fast ein
Meter neunzig groß. Mit seinem Militärhaarschnitt und gepaart mit seiner tiefen
Stimme wirkt er immer ein Stück zu bedrohlich. Kennt man ihn allerdings näher,
ist er recht nett, auch wenn er ziemlich ruppig ist. Dennoch ist es schwer zu
glauben, er und Bea haben ein und dieselben Eltern. Jetzt wo sie beide
nebeneinander sitzen ist es noch schwerer zu glauben. Sie ist klein und dünn,
während er groß und breit ist. Er ist laut und offen, sie dagegen ist still und
verschlossen. Einzig und allein ihr schwarzes Haar haben sie als Gemeinsamkeit.
Wobei selbst da unterscheidet sie sich von ihm durch ihr langes glattes Haar.
Vielleicht liegt es einfach nur an dem Altersunterschied von fast fünfzehn
Jahren.
„Wann hab ich Bea
denn von dem Konzert erzählt?“, fragt Mark.
„Na vor ein paar
Wochen in deiner Mail. Erinnerst du dich etwa nicht mehr daran? Bea freut sich
schon die ganze Zeit darauf und nervt mich mit ihrem Gerede darüber.“
Jetzt versteht Mark
wirklich nur noch Bahnhof. „Was denn für eine Mail?“, fragt er, während er
innerlich überlegt ob er überhaupt ihre E-Mail-Adresse besitzt.
Georg rollt mit den
Augen. „Komm Bea, sag doch auch mal was“, fordert er sie auf und schlägt ihr
leicht auf die Schulter. Aber selbst der kleine Klaps reicht aus damit sie
zusammenzuckt.
Schüchtern blickt
sie zuerst ihren Bruder und dann Mark an, ehe sie antwortet: „Du hast mir doch
vor drei Wochen eine Mail geschickt und mich darin auf ein Konzert von Justin
Timberlake eingeladen.“ Dabei spielt sie nervös mit dem Stoff der Tischdecke.
„Timberlake? Den
mag ich nicht mal. Bist du sicher, du hast die Mail von mir bekommen?“
Verwirrt runzelt
Bea die Stirn. „Ja, also, eigentlich schon.“
„Komm, du hast das
Teil doch immer dabei. Hol mal deinen Laptop und zeig ihm die Mail“, befiehlt
Georg seiner kleinen Schwester.
Sofort springt sie
auf und läuft rüber zu ihrer Tasche, wobei sie noch ein kurzes „Ok“ murmelt. Es
dauert einen Moment bis sie ihren Laptop hervorgekramt hat und wieder zurück
zum Tisch kommt. Dort angekommen stellt sie das Gerät vor sich auf den Tisch
und schaltet ihn ein.
Neugierig geht Mark
um den Tisch herum und schaut ihr über die Schulter. Inzwischen hat auch der
Rest der Familie bemerkt was da vor sich geht und schaut interessiert zu.
Sichtlich nervös
zeigt Bea ihm die Mail.
Hey du,
alles fit? Du wirst
mir nicht glauben, was ich gewonnen habe: Zwei Tickets für Justin Timberlake!
Geil oder? Die sind zusammen locker 200 Euro wert! Du kommst doch bestimmt mit,
oder? Wär echt cool. Es gibt da nur einen kleinen Hacken. Der Radiosender von
dem ich die Karten bekomme, verlangt eine Transaktionsgebühr von 80 Euro für
die Tickets. Aber hey, wir können die uns ja teilen. Dann zahlt jeder von uns
nur 40 Euro für die Tickets! Geil, oder?
Schick mir doch
einfach das Geld über Paypal. Da musst du nur auf „Geld senden“ klicken, meine
Mail-Adresse und die 40€ als Betrag eintragen. Simpler geht’s nicht.
Ich hoffe du kommst
mit. Freue mich schon tierisch darauf.
Grüße
„Das stinkt nach Scam“, murmelt Mark, nachdem er den Text
überflogen hat.
„Was?“, fragt ihn
Bea nun noch nervöser als vorhin.
„Darf ich?“ Um
seine Vermutung zu bestätigen schlängelt er sich an Bea vorbei, berührt das
Touchpad und geht mit dem Mauszeiger auf den Absender. „Tz, das ich ja echt
eine Adresse von mir …“
„Hab ich doch
gesagt.“
„Aber die nutze ich
seit Jahren nicht mehr.“
„Was?“, fragt Bea
nun mit leicht bebender Stimme.
„Nein, die benutze
ich nicht. Da muss sich doch glatt einer in meinen Account gehackt haben. Kein
Wunder, ich habe damals noch komplett simple Passwörter genutzt.“
Bea scheint noch immer
nicht zu begreifen was gerade passiert. Sie schaut Mark nur mit großen Augen
an.
„Du hast denen doch
nichts überwiesen, oder?“, fragt er sie.
Beschämt starrt sie
auf den Boden. Kleinlaut antwortet sie ihm: „Doch.“
„Ach Bea … Das Geld
wirst du wohl nicht mehr wiedersehen.“
Jetzt beginnt auch
der Rest der Familie sich einzumischen. Die meisten murmeln nur ihr
Unverständnis, aber ihr Bruder ist da direkter: „Ernsthaft? Auf diesen Scheiß
bist du reingefallen?“
Mit Tränen in den
Augen sieht sie von einem zum anderen. „Es tut mir Leid. Ich …“
Ihr Vater
unterbricht sie. „Dafür hast du die vierzig Euro gewollt? Wie dumm bist du
denn? Die zahlst du mir aber sowas von zurück. Ey, wie bescheuert muss man denn
sein um darauf reinzufallen?“, schnauzt er sie lauthals an.
Das war zu viel für
Bea, heulend rennt sie aus dem Wohnzimmer.
„Scheiße.“ Über
seinen Onkel fluchend springt Mark auf und rennt ihr hinterher. Das wollte er
auf keinen Fall. „Warte Bea!“, ruft er ihr nach.
Im Flur schafft er es dann sie einzuholen. „Warte doch.“
Vergeblich versucht er sie am Arm festzuhalten. Ehe sie es zur Tür schafft,
schlingt er seinen Arm um sie und hält sie richtig fest. Einen Moment lang
versucht sie noch sich loszureißen, aber gibt es dann auf. Zur Sicherheit hält
er sie aber noch immer fest, während er ihr ruhig sagt: „Sorry, aber dein Vater
ist ein Arsch. Er wär da bestimmt auch drauf reingefallen. Kümmere dich doch
nicht darum was er sagt. Hey, selbst mich hat man schon übers Ohr gehauen und
da ging es um deutlich mehr als nur vierzig Euro. Geht’s dir besser?“ fragt er
sie und versucht ihr ins Gesicht zu sehen.
Offensichtlich
nicht. Sie weint weiter und verdeckt beschämt ihr Gesicht.
„Ich versteh nicht
wirklich was das Problem ist“, gibt er zu. „So schlimm ist das doch nicht.
Wieso trifft dich das denn so? Dein Vater und Georg sind halt ein paar
Holzköpfe, aber sie …“, er unterbricht sich. Jetzt nachdem er seinen Namen
erwähnt hat fällt ihm wieder ein, was Georg am Tisch gesagt hatte. „Oh Mann, ist
es etwa weil ich dich nicht gefragt habe, ob du mit mir auf ein Konzert gehen
willst?“
Volltreffer. Jetzt
versucht Bea sich erneut loszureißen.
Er hält sie erneut
fest. „Verdammt, jetzt wart doch mal. Ich wusste doch nicht, dass du gerne mit
mir auf ein Konzert gehen würdest. Tut mir echt Leid was da passiert ist. Die
konnten dich ja auch nur verarschen weil sie mein Konto geknackt haben.“
Einen Moment lang
herrscht Stille, aber dann fällt ihn etwas ein: „Ich weiß! Ich lad dich auf ein
Konzert ein.“
Ihr Wiederstand
erlahmt komplett. Verwirrt sieht sie ihn mit tränenunterlaufenden Augen an. Mit
diesem Angebot hat sie nicht gerechnet. „Was?“
„Ja, das ist doch
perfekt. Such dir ein Konzert aus und wir gehen da zusammen hin, ok? Ich zahl
natürlich“, lächelt er.
„Du musst das nicht
…“
„Ach Quatsch. Wer
redet denn von müssen? Es würd dich doch glücklich machen, oder? Das reicht mir
als Grund. Ich wusste ja nicht, du würdest gerne auf ein Konzert gehen. Ich
unternehme doch gerne was mit meiner kleinen Cousine“, flunkert er ein Wenig.
Nicht das er sie nicht leiden könnte. Er hat halt einfach nur nicht viel mit
ihr zu tun. Aber wie schlimm kann ein Konzertabend mit ihr schon sein?
Zumindest hört sie so auf zu weinen, denkt er sich.
Und tatsächlich
scheinen ihre Tränen zu versiegen. „Tatsächlich? Meinst du das wirklich ernst?“
„Na klar“,
antwortet er ihr. Vorsichtig wischt er ihr ein paar Tränen aus dem Gesicht.
„Komm wieder zurück ins Wohnzimmer. Dann können wir mal nach einem passenden Konzert
suchen.“
Als beide wieder das Wohnzimmer betreten, werden sie direkt
von Georg aufgehalten. Ein wenig beschämt blickt er zur Seite als er zu Bea
spricht. „Hey, tut mir Leid das eben. Das war wohl ein wenig zu harsch.
Verzeihst du mir Kleines?“
Damit hat Mark
nicht gerechnet. Georg entschuldigt sich für etwas? Als er sich kurz umsieht
und seine grinsende Mutter ansieht begreift er es allerdings. Sie hat ihm wohl
kräftig die Meinung gegeigt. Kein Wunder, dass er seinen Onkel nirgendswo mehr
sehen kann. Vermutlich hat er den Schwanz eingezogen. Vor ihr kneifen selbst
die härtesten Schläger, hat ihm sein Großvater einmal erklärt. Damit hatte er
wohl Recht.
Bea ist das wohl
auch vollkommen neu. „Ist schon in Ordnung. Alles ist gut“, beschwichtigt sie
ihn und setzt kurz darauf glücklich nach, „Mark hat mich zu einem Konzert
meiner Wahl eingeladen. Ist das nicht toll?“
Erleichtert
antwortet ihr Georg: „Ja, das ist es wohl. Wo wollt ihr denn hingehen?“
„Das wollten wir
gerade rausfinden“, antwortet ihm Mark. An Bea gerichtet fragt er: „Darf ich
eben an dein Notebook? Ich kenn da ein paar Webseiten.“
„Klar!“ antwortet
sie ihm sofort.
Schnell hat Mark
die passende Seite offen und scrollt durch die regionalen Konzerte um Dortmund
herum. „Hier sind einige. Ist was für dich dabei?“
Bea hängt ihm
inzwischen über der Schulter und studiert konzentriert die Liste. „Nein, noch
nicht.“
Während er ein paar
Bands vorliest, bei denen er nicht den Drang verspürt panisch aus den Saal zu
rennen, scrollt er immer weiter. Solange bis er zu seinem eigenen Entsetzen auf
ein Konzert stößt, was er auf keinen Fall in der Liste finden wollte:
28. Juni 2013 |
Bochum | Justin Bieber Live in concert
Doch Bea überliest
das Konzert einfach. Erleichtert entspannt er seine Schultern, die er unbemerkt
versteift hat. So schlecht ist ihr Musikgeschmack zum Glück nicht, denkt er
sich erleichtert.
Am Jahresende
angekommen sagt er zu Bea: „Mh, das war’s. Nichts für dich dabei?“
Sie schüttelt ihren
Kopf. „Nein, nicht wirklich.“
„Dann müssen wir es
wohl etwas anders angehen. Was sind denn deine Lieblingsbands?“
Sie überlegt kurz
ehe sie ihm antwortet: „Mh, Slayer?“
Überrascht sieht er
sie an. „Echt? Slayer?“
Schüchtern sieht
sie kurz zu Boden und antwortet verunsichert: „Ja, wieso?“
„Ach nichts. Ich
hab nur nicht damit gerechnet. Schauen wir doch mal ob die hier irgendwo
spielen.“ Nachdem er die Tour-Daten geöffnet hat äußert er enttäuscht: „Nein,
dieses Jahr spielen sie nicht in Deutschland … Sonst noch wer?“
„System of a Down?“
„Haben die sich
nicht aufgelöst?“, fragt er nach.
„Nein, haben nur
eine Pause gemacht. Sie spielen wieder.“
„Oh ok, das wusste
ich nicht.“ Erneut stöbert er die Tour-Daten durch, leider erfolglos. „Die
spielen zwar in Deutschland, aber nur ein Konzert in München. Lust auf fünf
Stunden Fahrt?“
„Nicht wirklich.
Sonst spielen sie nicht?“
„Nein, scheint wohl
nur eine kleine Tour zu sein. Hast du sonst noch andere Lieblingsbands?
Vielleicht welche aus Deutschland? Da dürfte die Chance höher sein was zu
finden.“
„Mh, In Extremo?
Das ist meine liebste deutsche Band.“
Jetzt ist er
wirklich baff. „Bitte was?“
„In Extremo, das
ist eine Band die …“
Er hält kurz
abwehrend die Hände hoch. „Ja, ich weiß wer die sind. Das ist eine deiner
Lieblingsbands?“, fragt er sie verdattert.
Ein wenig
eingeschüchtert antwortet sie ihm: „Ja, wieso? Ist was schlimm an denen?“
„Nein, nein.
Absolut nicht. Ich, naja, das ist nur auch eine meiner Lieblingsbands. Das hat
mich nur ein wenig überrascht, das ist alles“, beschwichtigt er.
„Ach so“, erwidert
sie erleichtert.
Er fährt fort:
„Also von denen kenn ich ein Konzert nächste Woche Freitag in Koblenz. Dafür
hab ich sogar schon zwei Tickets gekauft. Das zweite Ticket war eigentlich für
einen Bekannten von mir bestimmt, aber er kann wohl doch nicht. Soll ich ihn
fragen ob er mir das Ticket geben kann?“
„Wirklich? Das
würdest du machen?“, fragt sie ihn und grinst dabei bis über beide Ohre.
Stirnrunzelnd sieht
er sie an.
Das scheint Bea erneut aus den Takt gebracht
zu haben. Schnell verfliegt das Lächeln aus ihrem Gesicht und sie fragt
beschämt: „Was ist jetzt schon wieder?“
Noch immer ein
wenig irritiert antwortet er ihr: „Nichts. Ich glaube nur, ich habe dich schon sehr
lange nicht mehr so lächeln gesehen“, gesteht er ihr ehrlich.
Leicht errötet
antwortet sie ihm mit einem schüchternen Lächeln.
Es vergeht einen
Augenblick bis er sich an ihre vorherige Frage erinnert. „Ja, sicher. Ich frag
ihn. Aber das sollte kein Problem sein. Er kann eh an dem Tag nicht. Sekunde.“
Er holt sein Smartphone raus und verlässt kurz den Raum.
Keine zwei Minuten sind vergangen, als er wieder
zurückkommt. Mit einem Lächeln im Gesicht offenbart er Bea: „Er hat ja gesagt.
Im Grunde ist er sogar happy, weil er nicht auf den Kosten sitzen bleibt. Also
können wir da am Freitag zusammen hin. Einlass wäre um neunzehn Uhr und wir
haben knapp zwei Stunden Fahrt vor uns. Ich würd dich dann also um siebzehn Uhr
abholen. Geht das in Ordnung?“
Wieder steht ihr
dieses unbefangene Lächeln im Gesicht als sie antwortet: „Ja, perfekt.“
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