Freitag, 1. März 2013

Custos 02 23. Dezember 2008


Ach das gibt’s doch nicht! Schon wieder zu spät.
   Schnell stürmt er durch die Unterführung und hetzt die lange Treppe auf der anderen Seite wieder nach oben. Als er seinen Zug entdeckt füllt sich sein Herz zuerst mit Freude, bis er sieht wie die vorderen Türen sich zu schließen beginnen. Sofort sprintet er los und schlüpft gerade noch rechtzeitig durch die letzte Tür seiner Bahn. Erschöpft von dem plötzlichen Sprint setzt er sich neben ein Mädchen, ohne es weiter zu beachten. Bis es an seinen Füßen auf einmal nießt.

   „Was zum?“, schreckt er hoch.
   Ein kleiner weißer Welpe schnüffelt an seinen nassen Schuhen.
   „Ach dich hab ich ja gar nicht bemerkt. Wer bist du denn?“
   „Das ist mein kleiner Custos. Meine Mum hat ihn mir geschenkt.“
    Er blickt auf und sieht das Mädchen neben ihm zum ersten Mal. Wow, ist die schön
   „Oh, öhm. Hi, ich heiße Kai!“ stammelt er vor sich hin.
   „Hi Kai, ich bin Anna und wie ich eben bereits sagte, der kleine Wonneproppen da unten ist Custos.“
   „Custos? Komischer Name, wie bist du denn darauf gekommen?“
   „Hab ich aus unserem Lateinunterricht“, strahlt sie. „Custos bedeutet so viel wie Wächter oder Beschützer. Ein passender Name nicht wahr?“
   Er schaut runter auf den Kleinen, der sich gerade an seinem Schnürsenkel vergreift. „Ein Beschützer bist du also. Na dann pass mal schön auf dein Frauchen auf.“
   Der Zwerg lässt von seiner Beute ab, schaut hoch und gibt ein kurzes Kläffen als Antwort.
   „Ha! Ein schlaues Kerlchen“, freut er sich.
   „Jap, das ist mein Custos.“
   Der Junge schaut raus auf die Gleise. „Die nächste muss ich schon wieder raus", gibt er betrübt von sich.
   „Wir beide fahren noch drei Stationen weiter.“
   „Mhm.“ Seinen ganzen Mut zusammennehmend versucht er etwas, was er bisher noch nie gewagt hat. „Also ähm, ich bin nicht besonders gut darin. Aber, naja, hättest du vielleicht Lust dich morgen noch einmal mit zu treffen?“
   „Morgen?“, wundert Anna sich.
   „Ja, also, es muss nicht unbedingt morgen sein. Übermorgen ginge auch.“
   „Morgen ist doch Heiligabend?“, gibt sie kichernd von sich.
   „Oh Shit. Äh ich meine, ja stimmt, da hast du recht, das hab ich irgendwie vergessen. Dann, ja ich weiß.“ Schnell zieht er einen Notizblock aus seiner Tasche und kritzelt seine Nummer darauf.
   „Hier, meine Nummer. Also, wenn der Feiertagsstress für dich vorbei ist, dann kannst du mich ja anrufen. Dann können wir einen Termin ausmachen für unser D..., ähm Treffen. Ok?“
   „Gut ok, so machen wir es", lächelt sie ihn an, woraufhin Kai jedes Blut im Leib hoch ins Gesicht schießt.
   „Fantastisch. Also ich muss dann. Du rufst mich an, ok?“, fragt er noch einmal nach, während er aufsteht und rückwärts in Richtung Tür geht.
   „Ja, das mach ich. Auf jeden Fall. Bis dann!“
   „Gut, bis dann!“, ruft Kai noch schnell beim Aussteigen.
   Kichernd dreht sich Anna wieder zu ihrem kleinen Fellknäul um. „Na Custos. Da haben wir doch einen süßen Jungen kennen gelernt, nicht wahr?“
   Der Kleine wedelt freudig mit dem Schwanz und kläfft seine Zustimmung.
Viele verfluchen das Vergessen. Dabei ist es der einzige Wächter, der zwischen uns und dem Was-hätte-sein-können steht. -Unbekannt

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