Freitag, 1. März 2013

SR 02 Der Fall des Schwarzen Ritters


Wieder ein kleiner Junge. Keine zehn Jahre alt. Seine Arme sind über seiner kleinen Brust gekreuzt. Ja, das ist das Werk des Sünders.

   Seit vier Wochen schon verfolgt er ihn. Von einer Stadt zur nächsten und immer holt er sich einen Jungen von der Straße und tut ihm das an. Die örtliche Gendarmerie tut ihr Möglichstes, doch bisher vergebens. Auch jetzt umringen sie den Tatort und befragen die Leute, die an dieser einsamen Gasse wohnen, obwohl sie sich aus Angst vor dem Ritter möglichst von ihm fernhalten.
   Wäre einer von euch ein Sünder, wäre er schon lange tot, geht dem Ritter gerade durch den Kopf als er eine Person entdeckt die seine Aufmerksamkeit erregt. Ein Mann in seinen Fünfzigern. Er spricht aufgeregt mit einem der Polizisten, der schnell sein Notizbuch füllt. Die finstere Gestalt nähert sich den beiden.
   „Wiederhohle was du gesagt hast.“ Keine Vorstellung, nichts. Jeder kennt diesen Ritter und jeder fürchtet sich vor ihm.
    Angsterfüllt sieht der alte Mann auf, er stammelt. Er versucht ihm zu erklären was er gesehen hat. Wie der Mann den Jungen in die Gasse zerrte und was er ihm antat. Er wollte ihn ja helfen, aber er sah so stark aus und er wäre doch nur ein alter Mann. Selbst der Polizist erkennt die Wahrheit.
   Der Alte hat einfach nur zugesehen und sich dabei selbst befriedigt. Ich sollte ihn dafür hier und jetzt den Kopf abschlagen. Aber seine Taten reichen nicht. Er hat nie selbst jemanden geschadet. Ein abartiger Voyeur, aber kein Sünder. Noch ist er nicht gefallen. Soll sich die Gendarmerie um ihn kümmern.

Der verzweifelte alte Mann hat ihm wichtige Hinweise gegeben. Er weiß nun wie der Sünder aussieht und diese Beschreibung führt ihn zu einer Gaststätte am Rande der Stadt.
   Ein wenig heruntergekommen, aber wohl immer noch teuer. Das passt, er muss Geld haben sonst könnte er sich die vielen Reisen nicht leisten.
   Er betritt den Schankraum und sofort wird alles still. Die Gäste starren diesen unheimlichen Riesen an. Ein vollkommen in Schwarz gehüllter Ritter, in einer unnatürlichen Rüstung die sich trotz fehlender Scharniere bewegen kann. Er überragt alle Gäste, sein Helm schabt an dem über zwei Meter hohen Türrahmen und in seiner Hand, da hält er sein verrostetes Schwert. Alle erkennen ihn und auch der Mann in der hinteren Ecke, auf dem der blinde Blick des Ritters liegt.
   Er wird panisch, der Mann neben ihm packt ihn und schleift ihn hinter sich her. Nicht zum Hinterausgang, denn der existiert nicht. Sie rennen hoch zu den Gästeräumen. Der Ritter beschleunigt seine Schritte und steht bereits Sekunden später vor ihrem verrammelten Zimmer. Ein schneller Hieb mit der Klinge, ein Tritt und schon ist die Tür zertrümmert, während die beiden Flüchtigen noch versuchen das Fenster auf zu bekommen. Schnell stellt sich der eine vor dem anderen.
   „Bitte, du darfst ihm nichts tun. Er ist mein Bruder, er kann sich ändern, ich schwöre es“
   Brüder?
   „Nein, das wird er nicht. Geh aus dem Weg.“
   Der Mann versucht sich aus dem massiven Griff des Ritters zu befreien, vergebens. Er schmeißt ihn einfach zur Seite. Sein Bruder drückt sich in die Ecke des Zimmers. Er heult Rotz und Wasser.
   Er ist keine 20, kaum ein Mann.
Doch das ist dem Ritter egal. „Du hast 7 Jungen vergewaltigt und getötet. Sünder!“
   Er hebt seine Klinge und schlägt zu. Sie durchschlägt alles, den Jungen und selbst seinen Bruder, der sich in seinem letzten Versuch ihn zu retten in die Klinge geschmissen hat.

Nein, nein. Das kann nicht sein, du warst unschuldig, wieso hast du das getan? Wieso?
   Zum ersten Mal seit Jahrhunderten schreckt der Ritter zurück, während seine Klinge vollkommen unbeeindruckt die Seelen der beiden Menschen in sich aufnimmt.
   Ich habe einen Unschuldigen getötet. Er wollte nur seinen Bruder schützen und ich habe ihn getötet. Damit bin ich ein Sünder. Ich bin gefallen, wie all die anderen. Kleiner Bruder …
   In seiner Verzweiflung schüttelt er seinen Kopf, während gleichzeitig der Raum in sich zusammen fällt
 Die Struktur der Welt setzt sich um ihn herum neu zusammen und auf einmal steht er mitten in einem großen Saal. Um ihn herum liegen, sitzen und stehen sie, die Sklavinnen seines Meisters. Diejenigen die sich weigerten hängen angekettet an den Wänden. Dieser Anblick bewegt ihn nicht. Genau wie er selbst sind sie alle an ihren Herrn gebunden, sein Besitz. Der Ritter geht weiter, hinauf zu dem Thron auf dem sein Gebieter sitzt.
   „Ah, mein Ritter. Du bist wieder zurück? Dann nehme ich an deine Jagten waren wieder einmal erfolgreich?“, Nefas erhebt sich.
   „Ja Gebieter, ich bringe euch eure Seelen“, er marschiert weiter auf seinen Meister zu, „aber ich habe eine Frage an euch.“
   Der Gott legt leicht seinen Kopf schief. „Die da wäre?“
   „Wenn ein Meister seinem Sklaven einen Befehl gibt und der Sklave daraufhin einen Unschuldigen abschlachtet, was ist dann der Meister?“ Der Ritter steht nun vor seinem Gebieter.
   „Er ist genau wie der Sklave selbst, ein Sünder.“
   „Ja, das dachte ich mir.“
   In diesem Moment geht ein Erdbeben durch den Saal, die Decke bricht ein und Panik bricht aus. Langsam sieht der Gott an sich herab. Sein Blick ruht auf der Klinge seines Ritters, die sich nun durch ihn hindurchgebohrt hat. Entsetzen liegt in seinen Augen.
   „Das kannst du nicht. Das ist unmöglich. Ich bin dein Meister. Ohne mich bist du tot!“
   Der Ritter sinkt auf sein Knie. „Ja … endlich.“
   Und mit diesem letzten Wort zerfällt der Saal endgültig, genau wie die Stadt um ihn herum und alle ihrer Bewohner. Einzig und allein ein aufgespießter Gott bleibt zurück. Aufgespießt auf einer alten rostigen Klinge und vor ihm, da ruht die leere Rüstung seines einzigen Dieners.

----
„Auch wenn niemand genau sagen konnte was dieses Ereignis auslöste, so wusste doch jeder was geschehen ist und was es bedeutete. Einer der alten Götter wurde getötet. Aber nicht von einem seiner Brüder oder Schwestern. Nein, er wurde von einen Menschen getötet! Dies war das absolut erste Mal, dass so etwas geschehen ist und es löste etwas aus, etwas was selbst jetzt, fünf Jahrhunderte später, noch seine Spuren auf dieser Welt hinterlassen hat.“ – Zitat aus „Götterfall“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen