Wieder ein kleiner
Junge. Keine zehn Jahre alt. Seine Arme sind über seiner kleinen Brust
gekreuzt. Ja, das ist das Werk des Sünders.
Seit vier Wochen
schon verfolgt er ihn. Von einer Stadt zur nächsten und immer holt er sich
einen Jungen von der Straße und tut ihm das an. Die örtliche Gendarmerie tut
ihr Möglichstes, doch bisher vergebens. Auch jetzt umringen sie den Tatort und
befragen die Leute, die an dieser einsamen Gasse wohnen, obwohl sie sich aus
Angst vor dem Ritter möglichst von ihm fernhalten.
Wäre einer von euch ein Sünder, wäre er
schon lange tot, geht dem Ritter gerade durch den Kopf als er eine Person
entdeckt die seine Aufmerksamkeit erregt. Ein Mann in seinen Fünfzigern. Er
spricht aufgeregt mit einem der Polizisten, der schnell sein Notizbuch füllt.
Die finstere Gestalt nähert sich den beiden.
„Wiederhohle was
du gesagt hast.“ Keine Vorstellung, nichts. Jeder kennt diesen Ritter und jeder
fürchtet sich vor ihm.
Angsterfüllt
sieht der alte Mann auf, er stammelt. Er versucht ihm zu erklären was er
gesehen hat. Wie der Mann den Jungen in die Gasse zerrte und was er ihm antat.
Er wollte ihn ja helfen, aber er sah so stark aus und er wäre doch nur ein
alter Mann. Selbst der Polizist erkennt die Wahrheit.
Der Alte hat einfach nur zugesehen und sich
dabei selbst befriedigt. Ich sollte ihn dafür hier und jetzt den Kopf
abschlagen. Aber seine Taten reichen nicht. Er hat nie selbst jemanden
geschadet. Ein abartiger Voyeur, aber kein Sünder. Noch ist er nicht gefallen.
Soll sich die Gendarmerie um ihn kümmern.
Der verzweifelte alte Mann hat ihm wichtige Hinweise
gegeben. Er weiß nun wie der Sünder aussieht und diese Beschreibung führt ihn
zu einer Gaststätte am Rande der Stadt.
Ein wenig heruntergekommen, aber wohl immer
noch teuer. Das passt, er muss Geld haben sonst könnte er sich die vielen
Reisen nicht leisten.
Er betritt den
Schankraum und sofort wird alles still. Die Gäste starren diesen unheimlichen
Riesen an. Ein vollkommen in Schwarz gehüllter Ritter, in einer unnatürlichen
Rüstung die sich trotz fehlender Scharniere bewegen kann. Er überragt alle
Gäste, sein Helm schabt an dem über zwei Meter hohen Türrahmen und in seiner
Hand, da hält er sein verrostetes Schwert. Alle erkennen ihn und auch der Mann
in der hinteren Ecke, auf dem der blinde Blick des Ritters liegt.
Er wird panisch,
der Mann neben ihm packt ihn und schleift ihn hinter sich her. Nicht zum
Hinterausgang, denn der existiert nicht. Sie rennen hoch zu den Gästeräumen.
Der Ritter beschleunigt seine Schritte und steht bereits Sekunden später vor
ihrem verrammelten Zimmer. Ein schneller Hieb mit der Klinge, ein Tritt und
schon ist die Tür zertrümmert, während die beiden Flüchtigen noch versuchen das
Fenster auf zu bekommen. Schnell stellt sich der eine vor dem anderen.
„Bitte, du
darfst ihm nichts tun. Er ist mein Bruder, er kann sich ändern, ich schwöre es“
Brüder?
„Nein, das wird
er nicht. Geh aus dem Weg.“
Der Mann
versucht sich aus dem massiven Griff des Ritters zu befreien, vergebens. Er
schmeißt ihn einfach zur Seite. Sein Bruder drückt sich in die Ecke des
Zimmers. Er heult Rotz und Wasser.
Er ist keine 20, kaum ein Mann.
Doch das ist dem Ritter egal. „Du hast 7 Jungen vergewaltigt
und getötet. Sünder!“
Er hebt seine
Klinge und schlägt zu. Sie durchschlägt alles, den Jungen und selbst seinen
Bruder, der sich in seinem letzten Versuch ihn zu retten in die Klinge
geschmissen hat.
Nein, nein. Das
kann nicht sein, du warst unschuldig, wieso hast du das getan? Wieso?
Zum ersten Mal
seit Jahrhunderten schreckt der Ritter zurück, während seine Klinge vollkommen
unbeeindruckt die Seelen der beiden Menschen in sich aufnimmt.
Ich habe einen Unschuldigen getötet. Er
wollte nur seinen Bruder schützen und ich habe ihn getötet. Damit bin ich ein
Sünder. Ich bin gefallen, wie all die anderen. Kleiner Bruder …
In seiner Verzweiflung schüttelt er
seinen Kopf, während gleichzeitig der Raum in sich zusammen fällt
Die Struktur der Welt
setzt sich um ihn herum neu zusammen und auf einmal steht er mitten in einem
großen Saal. Um ihn herum liegen, sitzen und stehen sie, die Sklavinnen seines
Meisters. Diejenigen die sich weigerten hängen angekettet an den Wänden. Dieser
Anblick bewegt ihn nicht. Genau wie er selbst sind sie alle an ihren Herrn
gebunden, sein Besitz. Der Ritter geht weiter, hinauf zu dem Thron auf dem sein
Gebieter sitzt.
„Ah, mein
Ritter. Du bist wieder zurück? Dann nehme ich an deine Jagten waren wieder
einmal erfolgreich?“, Nefas erhebt sich.
„Ja Gebieter,
ich bringe euch eure Seelen“, er marschiert weiter auf seinen Meister zu, „aber
ich habe eine Frage an euch.“
Der Gott legt
leicht seinen Kopf schief. „Die da wäre?“
„Wenn ein
Meister seinem Sklaven einen Befehl gibt und der Sklave daraufhin einen
Unschuldigen abschlachtet, was ist dann der Meister?“ Der Ritter steht nun vor
seinem Gebieter.
„Er ist genau
wie der Sklave selbst, ein Sünder.“
„Ja, das dachte
ich mir.“
In diesem Moment
geht ein Erdbeben durch den Saal, die Decke bricht ein und Panik bricht aus.
Langsam sieht der Gott an sich herab. Sein Blick ruht auf der Klinge seines
Ritters, die sich nun durch ihn hindurchgebohrt hat. Entsetzen liegt in seinen
Augen.
„Das kannst du nicht.
Das ist unmöglich. Ich bin dein Meister. Ohne mich bist du tot!“
Der Ritter sinkt
auf sein Knie. „Ja … endlich.“
Und mit diesem
letzten Wort zerfällt der Saal endgültig, genau wie die Stadt um ihn herum und
alle ihrer Bewohner. Einzig und allein ein aufgespießter Gott bleibt zurück.
Aufgespießt auf einer alten rostigen Klinge und vor ihm, da ruht die leere
Rüstung seines einzigen Dieners.
----
„Auch wenn niemand genau sagen konnte was dieses Ereignis
auslöste, so wusste doch jeder was geschehen ist und was es bedeutete. Einer
der alten Götter wurde getötet. Aber nicht von einem seiner Brüder oder
Schwestern. Nein, er wurde von einen Menschen getötet! Dies war das absolut
erste Mal, dass so etwas geschehen ist und es löste etwas aus, etwas was selbst
jetzt, fünf Jahrhunderte später, noch seine Spuren auf dieser Welt hinterlassen
hat.“ – Zitat aus „Götterfall“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen