"Vor über 14 Milliarden Jahren tobte ein Krieg auf
dieser und jeder anderen bekannten Welt. Niemand weiß genau wie er begann oder
warum er geführt wurde, aber jeder weiß wie er endete. Mit einem Knall, wobei
dieser Begriff ein klein wenig untertrieben ist. Es war eine absolut alles
verändernde Explosion, die nicht nur den Raum sondern auch die Zeit vollkommen
verzerrte und erschütterte. Fast nichts überlebte diesen Knall. Doch da war einer
der Soldaten, einer der Krieger, der in diesem Krieg kämpfte. Er war noch da
und er suchte. Er suchte seine Geliebte, mit der er seit Äonen von Jahren
vereint war.
Fast 10 Milliarden Jahre verbrachte dieser einsame
Krieger auf der Suche. Er watete durch die Trümmer des Krieges, doch fand er
überall nur Tod und Zerstörung. Bis er zu einem kleinen Leuchten am Rande des
Schlachtfeldes kam. Da lag sie, seine Geliebte. Schon aus der Ferne sah er es:
In ihr war kein Leben mehr. Er brach über sie zusammen und er weinte. Oh, er
weinte so sehr. Über anderthalb Milliarden Jahre lang umarmte er seine Geliebte
und weinte. Dann erst löste er sich von ihr. Er stieg auf und gab ihr sein
letztes Versprechen: „Ich werde auf ewig bei dir bleiben.“
Kurz darauf ließ
er los, den Schmerz, sein Leben. Seine Gestalt erkaltete und versteinerte.
Was er selbst
nie mitbekommen sollte war was danach geschah. Seine Tränen durchfluten sie,
ihre Täler, ihre Tiefen, ihren Himmel. Gefüllt mit seinem Leben schenkten sie
ihr ein Zweites. Ihr Innerstes begann wieder zu pulsieren, zu leben. Sie
erwachte zu neuen Leben und auf ihr? In den Tränenmeeren? Dort erwachte
ebenfalls neues Leben, ihre Kinder“, er unterbricht sich, „und so leben wir, in
der warmen Umarmung unserer geliebten Mutter und unter dem steinernen Blick
unseres geliebten Vaters. Wir danken ihm bis heute für seine Tränen die uns
Leben, Kraft und die Magie schenkten."
Die Lichter im Saal gehen an.
"Dies,
meine Damen und Herren, war ein Auszug aus dem Buche Patrias. Es beschreibt die
Schöpfung unseres Universums und die Wiedergeburt unserer Welt. Doch das für
uns entscheidende ist der letzte Teil. Was genau sagt er aus?", fragt der
Tutor an seine Klasse.
Über die Hälfte
der Arme geht in die Höhe. Kein Wunder, jeder dieser angehenden Magier kennt
den Satz.
„Wasser bedeutet
Macht!"
„Korrekt!",
lobt er seinen Schüler. „Aus dem Wasser heraus ziehen wir unsere Kraft.
Deswegen befindet sich jeder Zirkel und jede Ausbildungsstätte in der Nähe
eines unserer Meere. Aber nicht nur aus unserer Umgebung heraus können wir
Macht ziehen, sondern auch aus unserem Inneren. Denn auch wir bestehen aus
diesem Wasser, aber unsere Reserven sind begrenzt. Würdet ihr eure gesamte
Macht entfesseln, dann würdet ihr als ausgedörrte Leiche enden. Deswegen hat es
oberste Priorität, so viel möglich zu trinken während des Trainings.
Mindestens 15 Liter pro Tag! Doch ein Kampfmagier kann es sich nicht erlauben
mal eben eine Trinkpause im Gefecht zu veranstalten, dafür gibt es die Injektionskanülen.
Mit denen werdet ihr euch morgen befassen. Ich
denke für heute haben wir genug durch genommen. Ich wünsche euch allen einen
schönen Rest-Tag und hoffe euch hat euer erster Tag hier gefallen oder
zumindest, dass wir euch nicht zu viel Angst eingejagt haben."
Die Klasse
lacht, während eine junge Magierin eilig ihre Sachen zusammen packt.
Sie hat noch ein wichtiges Treffen mit ihrer neuen Freundin.
Es ist bereits später Abend als die letzten
Trainingseinheiten in Varus, einer Ausbildungsstätte für Wächter, enden. Junge
Frauen und Männer zwischen siebzehn und fünfundzwanzig kommen an diesen Ort,
die sich dazu bereit erklärt haben die Menschheit zu schützen. Früher waren die
Wächter noch eine militärische Einheit. Doch seit Jahrzehnten herrscht
überwiegend Frieden auf der Welt und so haben sich die Wächter zu einer Einheit
für Sonderfälle und Präzisionseinsätze entwickelt. Zwei Mädchen unterhalten
sich. Die eine ist eine angehende Kampfmagierin, die heute ihren ersten Tag
hatte. Das andere Mädchen wiederum befindet sich in ihrem 2ten Jahr für die
Schützenausbildung. Beide sind sich bereits früher begegnet und wollen sich nun
näher kennen lernen.
Und so erzählt
die Schützin ihr, dass sie entgegen dem Willen ihrer Mutter, dieser nicht in
die Nachtwache folgen möchte. Denn auch wenn sie ihre Mutter liebt, so möchte
sie doch niemanden diese Ungewissheit antun. Die Ungewissheit, die sie und ihr
Vater jeden Abend ertragen mussten, wenn ihre Mutter wieder auf Streife ging.
Was sie stattdessen machen möchte? Darauf zuckt sie nur ratlos mit den
Schultern. Um die Stimmung ein wenig zu heben erzählt die junge Magierin etwas
über sich, über ihre Familie.
„Mein Vater ist
ein richtiger Schussel. Letztens hat er wieder einmal eine der uralten Relikte
meiner Mutter geschrotet. Wie so oft hat er seine Nase zu tief in ein Buch
gesteckt und es dabei übersehen. Mum hat ihn daraufhin rund gemacht.“
Sie äfft ihre
Mutter nach: „Das gibt’s doch nicht Samarus. Wie zum Teufel kannst du einen
fast zwei Meter großen Spiegel übersehen, der dazu auch noch am RAND“, sie
fuchtelt wütend mit den Händen, „eines zwanzig Meter breiten Raumes steht? Wie
kann man da denn ausversehen gegen laufen? Du…"
„Moment
mal", unterbricht die Schützin sie. „Du heißt mit Nachnamen Dev?"
„Mhm?"
„Und dein Vater
mit Vornamen Samarus? Samarus Dev? Dein Vater ist DER Samarus Dev?"
„Ähm ja, das ist
er", gibt sie verlegen zu.
"Wow, einer
der Helden der Drachenkriege ist den Vater? Der Herr des Tods, Träger des
Seelenfängers und Schlächter von hunderten dieser Bestien! Erst soll er sie in
Qual und Leid gehüllt haben, um sie dann mit seiner Teufelsmagie in Stücke zu
reißen oder ihnen das Fleisch von der Haut zu brennen und diejenigen die noch
halbwegs intakt waren hat er einfach wiedergeholt und sie gegen ihre eigenen
Kameraden geschickt…"
„Sarina, hör
auf!", wutentbrannt springt die Magierin auf.
"Was ist
denn?", fragt die Schützin verwundert.
Langsam dreht
sich das junge Mädchen zu ihr um. Tränen stehen ihr in den Augen. „Du weißt
doch gar nicht wie es war…"
„Aber?"
„...seine Freunde abzuschlachten, ihre Körper zu schänden
und sie gegen ihre eigenen Brüdern und Schwestern zu hetzen."
Verwirrt starrt
sie die Magierin an. „Seine Freunde? Ich versteh nicht?"
Die Magierin
schüttelt langsam ihren Kopf. „Du hast keine Ahnung was damals wirklich
geschehen ist, oder?“
Einen Moment
lang wird es still.
„Nun gut. Ich
erzähl dir, was auch mein Vater mir erzählte. Also was weißt du über Drachen?
Außer was mit dem Krieg zu tun hatte?“, beginnt sie.
Sarina überlegt.
„Nun ja, es sind Kaltblüter und im Gegensatz zu uns nutzen sie als Quelle ihrer
Kraft Feuer anstatt Wasser. Jeder von ihnen ist magiebegabt, auch wenn die
meisten diese Gabe nur nutzen um Feuer zu speien. Ach und sie werden tausende
von Jahren alt.“
„Das ist schon
ganz gut, aber sie werden Millionen von Jahren alt. Also, die Drachen gelten
als Kinder der Erde, genau wie es die Echsen damals waren. Im Gegensatz zu
ihnen, konnten sie Magie nutzen und haben sich weiterentwickelt. Sie sind in
die Lüfte gestiegen und konnten so auch den Meteor überleben, der die
restlichen Echsen vor Millionen von Jahren ausgelöscht hatte. Durch ihre enorme
Langlebigkeit waren die meisten der Drachen Einsiedler. Sie interessierten sich
nicht großartig für andere Wesen. Kein Wunder, sie waren sowieso allen
überlegen.
Dann kamen wir
Menschen. Wir entwickelten uns rasant und waren die erste andere Rasse nach den
Drachen, die in der Lage war Magie zu nutzen. Wir erschufen sogar neue Rassen.
Darunter waren Naturgeister, Engel, Dämonen und sogar Götter. Alles Wesen die
durch unseren Glauben oder durch unseren Willen in diese Welt geboren wurden.
Den alten Drachen, diejenige die bereits hunderttausende von Jahren hinter sich
hatten, waren wir aber weiterhin egal. Doch die Jungen“, sie stockt. „Nun, wir
breiteten uns rasant aus. Nahmen uns ihr Land, ihre Berge und ihre Beute.
Schnell waren wir das Ziel ihrer Wut und sie begannen die Menschheit zu jagen.
Das war vor knapp fünftausend Jahren und es war auch der Ursprung der Angst vor
den Drachen. Sie löschten tausende von Dörfer aus und verbreiteten Angst und
Schrecken über tausende von Jahren.
Das ging solange
weiter bis es den Alten genug war. Genauer gesagt es war dem Drachen Leviatan
genug. Er war mit Abstand der mächtigste von ihnen und über drei Millionen
Jahren alt. Angeblich spie er keine Feuermagie oder Lava, wie es die
mächtigsten Drachen taten. Nein, wenn er sein Maul aufriss spie er Untergang.
Der Himmel selbst wurde zertrümmert und alles da drunter wurde bis auf
Atomebene zermalmt. Ja, er war definitiv der Mächtigste unter ihnen und nach
hunderttausenden von Jahren bemerkte er zum ersten Mal die Menschheit.
Er erkannte
unsere magische Begabung und sah in uns das warmblütige Gegenstück zu den Drachen.
Daraufhin erhebte er sich und schmetterte jeden Drachen nieder der sich ihm in
den Weg stellte. Als ihn alle als Herrscher akzeptierten, ernannte er sich zum
Himmelskaiser und schuf das erste Reich der Drachen nach dem Vorbild von uns
Menschen. Leviatan akzeptierte damit unsere menschlichen Reiche und erschuf
auch Gesetze die die Drachen mit uns Menschen gleichstellten. Das war vor knapp
zweitausend Jahren.
Kommen wir nun
weiter in unsere Zeit zurück oder genauer gesagt vor knapp fünfhundertdreißig
Jahren. Die Drachen waren inzwischen eine ferne und unbekannte Rasse für die
meisten der Menschen. Sie zeigten sich uns ganz selten und wenn woben sie sich
in Magie ein und wanderten unerkannt unter uns als Menschen. Doch man konnte
eins nicht von der Hand weisen, die Angst die über tausende von Jahren und
unzähligen von Generationen aufgebaut wurde, verwandelte sich mehr und mehr in
Abscheu, Überheblichkeit und Arroganz gegenüber den Drachen. Insbesondere weil
kaum einer die wahre Macht der Drachen kannte. Das war die Zeit in der mein
Vater geboren wurde.
Mein Großvater
und seine bissige Mähre von Frau, wie er sie gerne nannte“, sie zwinkert.
„Natürlich nicht in ihrer Gegenwart, hatten beide zusammen einen
Schmiedebetrieb. Sonst waren da neben meinem Vater noch sein knapp zehn Jahre
älterer Bruder und seine Schwester die nur knapp ein Jahr älter war als er.
Damit war er das dritte und letzte Kind seiner Eltern. Dadurch, dass sein
älterer Bruder dem Schmiedehandwerk seines Vaters nachging, hatte er alle Zeit
der Welt um seinen Gedanken und Interessen zu verfolgen. So verbrachte er
teilweise Tage in der örtlichen Bibliothek. Angeblich wegen den Büchern, aber
ganz ehrlich? So wie er von der Tochter des Bibliothekars geredet hat, hatte er
da wohl noch andere Gründe“, gibt sie kopfschüttelnd zu.
„Nun gut, auf
jeden Fall wurde er schnell besser und bereits mit siebzehn konnte er es mit
jedem Hexenmeister oder Magier in der Region aufnehmen. So haben sich seine
Eltern dazu entschlossen einen Großteil ihres Geldes zu sammeln und ihn zur
Ausbildung in den Zirkel der Magi der damaligen Hauptstadt Steinhafen zu
schicken.“
„Steinhafen, das
war in der Wüste Sari oder?“, unterbricht Sarina sie.
„Ja, aber damals
war es noch keine Wüste. Ganz im Gegenteil. Wie der Name schon sagt, war es
eine fruchtbare Region direkt an einem Arm des Südmeeres. Die Stadt war durch
den Handel enorm gewachsen und hatte fast dreißig Millionen Einwohner. Kaum zu
Glauben oder? Wenn man sich die Region jetzt nach dem Krieg einmal ansieht. Das
Meer verdampft, die Felder sind zu Glas geschmolzen, die Stadt eine einzige
Ruine und die Menschen?“, sie schüttelt sich. „Nun gut, auf jeden Fall ging
mein Vater dann mit knapp zwanzig in die Stadt und in den Zirkel der Magi. Dort
begegnete er ihr. Sie war eine der Hohemagier des Zirkels und bildete unter
anderem die Novizen im Bereich der Elementarmagie aus und natürlich verknallte
er sich in sie.“
„Igitt“, die
junge Schützin verzieht angewidert das Gesicht.
Lachend erwidert
die Magierin: „Nein. Sie war nicht wie unsere Ausbilder. Auch wenn sie bereits
Hohemagierin war, so sah sie vielleicht aus wie Mitte zwanzig.“
„Oh, ach so. Man
ich dacht gerade an die alte Hexe die wir bei Heilkunde hatten. Glaube die war
locker hundertzwanzig Jahre alt und sah auch so aus“, feixt sie.
Nach kurzem
Gelächter fährt die Magierin fort: „Also eine Hexe war sie vielleicht auch.
Mein Vater fand sie anfangs ziemlich kalt und arrogant, aber das konnte sie
sich auch erlauben. In ihrem Bereich war sie die mächtigste Hohemagierin des
Reiches. Mein Vater dagegen war damals nur ein Novize. Er war zwar einer ihrer
besten Studenten und den anderen Novizen weit Voraus, doch gegen sie war er
chancenlos und sie nahm ihn nicht wirklich für Voll. Das war bis zu ihrem Duell.
Diese
Trainingsduelle wurden in den Kampfdisziplinen einmal im Jahr auf dem Dach des
Zirkels durchgeführt. Student gegen Meister. Mein Vater gegen sie.
Immer weiter und weiter erzählt die junge Magierin über
diese schicksalhaften Ereignisse damals vor hunderten von Jahren…
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