„Na, bist du
bereit mein Kätzchen? Heut zeig ich dir was ich wirklich drauf habe“, witzelt
er.
„Nenn mich
gefälligst nicht so!“, zischt sie zurück. „Ich bin deine Lehrmeisterin“, belehrt
sie ihn ein weiteres Mal.
Dabei versucht sie eines ihrer widerspenstigen langen
braunen Haare zu befestigen. Ein Unterfangen, was bei diesem starken Wind kaum
möglich ist. Sie befinden sich knapp zweihundert Fuß weit über der Erde und
hier pfeift der Wind ohne Unterlass. Auch die anwesenden Novizen haben Probleme
mit ihren Roben. Bis auf Samarus. Er trägt heute ausnahmsweise eine braune
Tunika.
Mit Absicht? Vermutlich. Er wirkt mit seiner
zerknitterten Robe und dem Drei-Tage-Bart immer so als würde er sich nie
Gedanken machen, aber sobald man ihn einmal beim Zaubern erlebt hat … er liebt
es zu tricksen und zu täuschen. Um die kurzen strubbeligen Haare muss er sich
zumindest keine Gedanken machen. Verflucht, ich hätte noch ein Haarband
mitnehmen sollen.
Er zuckt mit den
Schultern. „Na gut. Oh verehrte Hohemagierin Catherine, machet euch bereit,
euch mir auszuliefern“, grinst er sie schelmisch an.
Resigniert
schüttelt sie ihren Kopf. „Besser wird das heute wohl nicht mehr werden. Nun
denn. Dann fang mal an und zeig mir, was du dir dieses Mal ausgedacht hast!“
Ihr Körper spannt sich an und im Geiste bereitet sie sich bereits ihre
wichtigsten Verteidigungstechniken vor.
„Also naja, ähm,
kannst du mir noch so zehn Minuten geben?“
Das hat sie nicht
erwartet. „Was?“, prustend fängt sie an zu lachen, „bitte was? Hast du etwa
schon einmal von einem Kampf gehört wo dem Gegner zehn Minuten gewährt wurden?“
„Ja, ich weiß.
Aber komm schon. Glaub mir, es wird sich lohnen“, grinst er sie erneut an.
Schnaubend antwortet sie ihm: „Na gut. Ok,
ich lass dir zehn Minuten Zeit. Aber erwarte nicht, dass es deinen Noten gut
tun wird.“
„Ist mir Recht“,
antwortet er. Sofort wird er still und beginnt sich zu konzentrieren.
Die Minuten vergehen und nichts geschieht. Nervös läuft
Catherine auf und ab. Dabei überlegt sie sich, was er wohl vorhat: Was treibt er da? Es existiert nahezu kein
Elementarzauber, der eine so lange Beschwörungszeit benötigt. Ob es eine
Schattenbeschwörung ist? Früher war er bei Hyrasis und der hinterlistige Hund
hat ihn mit Sicherheit so einige Tricks beigebracht. Aber nein. Für dieses
Duell darf er einzig und allein Elementarzauber verwenden. Mir würde es
auffallen wenn er andere Zauber verwendet. Das weiß er genau. Also, was hast du
vor?
Nach fünf Minuten beginnt es. Ein Glockenschlag erklingt.
Was zum…? Es ist Vormittag. Um diese Uhrzeit
schlagen keine Glocken und der nächste Turm ist viel weiter entfernt. Woher kam
das?
Nervös
betrachtet sie den Himmel. Verwundert sieht sie mit an wie innerhalb weniger
Sekunden immer mehr und mehr Wolken aufziehen. Ein leichter Nebel breitet sich
aus.
Sechs Minuten
sind vergangen und der nächste Glockenschlag erklingt. Kurz darauf verdunkelt
sich der Himmel. Die Sonne selbst scheint verschluckt zu werden und Finsternis
breitet sich aus. Nur schwer kann sie ihn noch erkennen.
Trotzdem ist es keine Schattenmagie. Nein,
das ist Elementarmagie. Kann es sein?
Die siebte
Minute ist vergangen und erneut schlägt die Glocke. Dieses Mal beginnt die Erde
leicht zu beben.
Etwas kommt, aber was? Heilige …
Vollkommen
entsetzt beobachtet sie, wie sich langsam aber stetig ein gewaltiger
Glockenturm aus den Nebeln herausschält. Als der achte Glockenschlag das Dach
erschüttert ist er vollkommen aufgetaucht. Ein gewaltiger Turm, der selbst den
hohen Turm des Zirkels mickrig erscheinen lässt. Nur schwer kann man durch die
Finsternis hindurch die feinen Gravierungen und Muster erkennen, die überall in
den Turm eingearbeitet wurden.
Der neunte Schlag
erklingt und der Himmel beginnt zu grollen.
Vollkommen
sprachlos blickt sie nach oben. Das kann
doch nicht sein, dazu kann er nicht in der Lage sein! Aber so ist es und so
dreht sie sich schnell zu ihren Studenten um und ruft ihnen zu: „Rennt sofort
runter vom Dach! Keiner darf hier oben bleiben!“
Verdutzt starren
sie ihre Schüler an.
„Verflucht, das
war ein Befehl! Bewegt eure Ärsche!“ Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen,
lässt sie ihre Hände aufflammen.
Das hat
gereicht. Schnell rennen sie die Treppe herunter. Gerade noch rechtzeitig, als
der zehnte und letzte Glockenschlag erklingt. Damit zusammen springt der Zeiger
auf die Zwölf und der Himmel stürzt über sie zusammen. Hunderte von brennenden
Geschossen schlagen durch die Wolkendecke und stürzen auf das Dach hinab.
Die Uhr des Jüngsten Gerichts. Wie kannst du
so etwas nur entfesseln?
Wütend sieht sie
in Richtung Samarus. Der in diesem Moment zusammenbricht.
Verflucht.
Schnell stürmt
sie auf ihn zu, während sie den herabregnenden Geschossen ausweicht. Als sie
ihn erreicht entfesselt Catherine sofort eine Frostbarriere um sie beide zu
schützen. Innerhalb eines Wimpernschlages breitet sich ein Eisnebel um sie
herum aus, der sich sofort verfestigt. Donnernd knallen die Geschosse auf die
massive Barriere ein. Kleine Eisbrocken und Kristalle rieseln herab, doch die
Barriere hält.
Sie sieht ihn
nur kurz an. Er ist vollkommen dehydriert, aber noch immer bei Bewusstsein.
„Siehst du“,
krächzt er hervor, „jetzt sagst du nie wieder, dass ich es nicht“, ein heftiger
Hustanfall unterbricht ihn, „mit dir aufnehmen könnte. Ha! Als ob ich es nicht
mit einem Drachen aufnehmen könnte!“
Entsetzt starrt
sie ihn an, während er bewusstlos wird.
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