„WAS? Du willst mich REITEN?“, brüllt sie ihn
wütend an.
„Pscht, nicht so
laut, die Leute gucken bereits.“
Sie schaut sich
um und tatsächlich sieht ein Großteil der Menge sie verwirrt an. Rot im Gesicht
packt sie ihn und zerrt ihn an einen ruhigeren Ort, weg von den anderen
Marktbesuchern. Zwischen zwei alten Holzhütten am Hafen bleiben sie stehen.
„Beim großen
Leviathan, was willst du?“
„Du hast mich
genau verstanden, ich möchte dass du mir endlich einmal deine Drachengestalt
zeigst. Ich mich auf deinen Rücken setze, damit wir beide zusammen abheben
können.“ Samarus grinst sie an.
Schwer atmet sie
aus. „Hmpf, das hättest du auch anders sagen können.“
„Können, ja. Aber
wollen? Ne, dafür war deine Reaktion zu gut.“
„Dafür sollt ich
dich in Brand setzen!“
„Du drohst
deinem eigenen Studenten?“, entsetzt starrt er sie an. „Tztztz und das will
eine Lehrerin sein.“
„Hyrasis ist
jetzt dein Lehrer. Ich bin einfach nur noch höher gestellt als du. Quasi“,
langsam legt sie ihren Zeigefinger an die Lippen, „deine Gebieterin. Ich kann
mit dir machen was ich will.“ Sie strahlt ihn böse an, während sie sich langsam
an ihn schmiegt.
Er beugt sich
ihr entgegen und haucht ihr zart entgegen „Lenk nicht ab. Ich will endlich
deine Drachengestalt sehn!“
Catherine stößt
sich von ihm ab. „Woher weißt du das überhaupt? Sonst weiß es nur der
Erzmagier. Wie hast du neugierige Ratte das herausgefunden?“
„Neugierige Ratte?“ geschockt sieht er sie an. „Immer diese
Beleidigungen! Ich war zufällig in der Nähe als Ihr euch über Verhandlungen des
Zirkels mit dem Drachenhort unterhalten habt. Dabei hast du so geredet als
würdest du zum Hort gehören. Nachdem ich mich ein wenig über Drachen und ihre
magischen Fähigkeiten informiert hatte, war es mir klar.“
„Du hast also
rein zufällig gelauscht?“
„Zugehört und
ja.“
„Also du hast
uns reeein zufällig dabei ‚zugehört‘ wie wir beide uns hoch oben, auf der
obersten Spitze des Zirkels, unter dem Schutz mehrerer Siegelzauber,
unterhalten haben.“
„Ganz genau.“
Während Samarus
übertrieben eifrig nickt, kneift sie sich nur genervt in die Stirn. „Na gut,
nimm dir morgen frei.“
„Juhu!“ Er
greift sie und küsst seine Freundin überschwänglich. „Endlich sehe ich dein
wahres Ich.“
Sie errötet.
Es ist früh morgens, noch ist die Sonne nicht aufgegangen
und so stehen die Beiden alleine an der Küste. Die Fischer, Seeleute und
Kaufleute liegen noch alle in ihren Kojen oder im Falle des Mannes dort hinten,
besoffen im halb ausgetrockneten Abflusskanal.
„Die wilde Mähre
macht ihrem Namen echt alle Ehre.“
„Bitte?“
„Nichts, nichts.
Los geht’s.“
„Na gut. Dann
mal los“, sie sieht sich nervös um, „geh ein paar Schritte zurück. Die Verwandlung
ist ziemlich heiß.“
Samarus grinst
anzüglich. „Na das hoff ich doch.“
Weicht er zurück
wegen des Sicherheitsabstandes oder weil sie ihn so böse anfunkelt? Wer weiß.
„Gut, los
geht’s.“ Sie schließt ihre Augen und atmet langsam ein und aus. Ihre Adern
beginnen zu glühen. Von Dunkelblau hin zu Hellgelb. Es sieht aus als würde ihre
Haut mit Flammenrissen durchzogen werden.
Aus Feuer geborene Magie. Wow.
Es wird heiß,
aber so richtig heiß. Ihre Kleidung wallt auf, trotz der Hitze entzündet sie
sich aber nicht.
Schade.
Feuer umschließt
sie nun komplett, er kann nicht mehr ihr Gesicht erkennen. Kurz erschrickt er,
eine gewaltige geschuppte Klaue kommt aus der Feuersäule und danach noch eine.
Zwei riesige Schwingen zerreißen die Säule. Flammen steigen in die Luft und
offenbaren ihre volle Gestalt. Sie brüllt ihn an und so - das möchte ich hier
einmal festhalten, nicht aus Angst, sondern wegen der massiven Druckwelle -
wird er umgeschmissen.
„WOW!“
„Na, ich bin
wirklich umwerfend was?“, erklingt es in seinem Geist.
„Joa, geht so.“
Sie schnaubt.
„Du kannst nichts vor mir verbergen. Ich riech deine Aufregung.“
Er rappelt sich
langsam auf und betrachtet sie genauer. Catherine ist jetzt locker doppelt so
hoch wie Samarus selbst und jede ihrer beiden Schwingen dreimal so lang wie er.
Ihr halb geöffnetes Maul offenbart fingerlange und messerscharfe Zähne. Ihr
gesamter Körper, so scheint es, ist mit silberroten Schuppen bedeckt, die wie
poliertes Metall in der aufgehenden Sonne glänzen.
So majestätisch und wunderschön.
Er streift an
ihr vorbei und berührt das Schuppenkleid.
Fest wie Stahl, aber warm.
„Wie bei uns
Menschen kommt die Magie der Drachen aus ihnen selbst. Doch bei ihnen ist es
das Feuer. Als Kinder Terras, brennt ihre Seele heißer als der heißeste Vulkan
der Welt. Damit sind sie unter den Kaltblütern einzigartig. Denn sie können
sich so immer selbst mit Wärme versorgen“, zitiert er aus ‚Drachen und andere
Echsen‘.
Samarus wandert
weiter und bewundert ihren locker neun Fuß langen und geschuppten Schwanz, hebt
ihn an und schaut darunter.
„WAS ZUM?“, ihr
Kopf schnellt herum, „was treibst du da?“
Schnell weicht
er zurück. „Nichts, nichts. Die Literatur ist was das angeht nur nicht gerade
sehr ausführlich.“
Sie knurrt ihn
an. „Kein Wunder, was glaubst du was mit denen passiert ist, die es
herausfinden wollten?“
Ganz unschuldig
gibt er von sich: „Man hat es ihnen gezeigt und sie wollten nie wieder ins
Reich der Menschen?“
Ihr Knurren wird
lauter und eindringlicher.
„Ähm, hey wow.
Wir haben heute ja einen richtig tollen Sonnenaufgang, nicht wahr?“, er zeigt
in Richtung Meer, „wir sollten langsam von hier verschwinden, oder?“
„Du versuchst
mich nur wieder abzulenken, aber leider hast du Recht. Steig auf.“
Er hält sich an
einem ihrer Beine fest, schaut hoch und bleibt verwundert stehen. „Öhm, wie?“
„Wie? Siehst du
nicht die Steigbügel? Klettre gefälligst hoch du faules Stück.“
„Bittest du mich
gerade dich zu besteigen?“
Sie schüttelt
nur den Kopf, packt ihn mit einer Klaue und schleudert ihn hoch auf ihren
Rücken.
Panisch krallt
er sich fest und schafft es gerade so zu verhindern, nicht wieder
runterzufallen. „Nicht nett, nicht nett!“
„Halt dich
besser fest! Wir starten.“ Mit einem gewaltigen Ruck drückt sie sich von der
Klippe ab, spreizt ihre Schwingen und hebt ab.
Samarus drückt
sich an ihr Schuppenkleid und versucht sich mit mehreren Schattenfesseln
festzuhalten. „Cat! das hast du doch mit Absicht gemacht!“, brüllt er gegen den
starken Wind, „ich sag dir wenn wir wieder unten sind dann … Wow.“
Erst jetzt
bemerkt er seine Umgebung. Sie sind weit über der Stadt, noch höher als auf dem
Turm des Zirkels. Catherine ist langsamer geworden und gleitet dahin. Unter
ihnen erwacht langsam die Stadt. Winzige Menschen die wie Ameisen durch die
Straßen und Gassen wandern. Er blickt über das gewaltige, selbst von hier oben
noch, endlos wirkende Meer. Auf der anderen Seite der Stadt erstrecken sich
tausende Fuß weite Felder mit fruchtbeladenen Bäumen und Getreide. „Ich glaub
ich sollt mich einmal mit Flugmagie beschäftigen.“
Sie lacht.
Ihr Flug geht über das Meer, an der weiten Küste auf der
gegenüberliegenden Seite entlang, über mehrere Ländereien und Städte hinweg,
hin zu einem gewaltigen Gebirge.
„Wohin fliegen
wir eigentlich?“
„Ach ich wollt
dich nur ein paar Verwandten vorstellen.“ Sie steigen immer höher und höher,
entlang der steilen Berge.
„Ver...wandten?“
„Ja, dahinten
ist die Pforte.“
Aus dem Nebel
der Gebirge tauchen auf einmal zwei gewaltige Drachen auf. Nein, Steindrachen.
Hunderte Fuß hohe, in Bergspitzen eingemeißelte steinerne Drachen.
„Unfassbar.“
„Das waren
Geschenke von euch Menschen. Über hunderte Jahre hinweg haben Handwerker des
damaligen Kaiserreiches gearbeitet. Sie markieren die Pforte zu unserem Reich.
Langsam gleitet sie zwischen den beiden Giganten vorbei
und er beobachtet jedes kleine Detail an ihnen. Die Schlucht vor ihnen teilt
sich.
„Dahinten auf
der linken Seite ist der Hort der Toten und hier in der rechten Schlucht, ist
unser Hort.“
Während sie
diese Worte spricht brechen sie durch die Dunkelheit der Schlucht hinaus in das
warme Licht der langsam untergehenden Sonne. Vor ihnen erstreckt sich ein
riesiger Berg, überall ist er mit zwanzig bis fünfzig Fuß hohen Tunneln
durchlöchert. In der Luft befinden sich tausende kleiner Drachen und einige
wenige Titanen, deren Spannbreite wohl so manchen Palast überragen würde: Der
Drachenhort.
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