„Ich habe Angst.“
Verwirrt reißt
Samarus sich von der Aussicht los. „Bitte?“ Er beobachtet wie sich ihre Hände
nervös ineinander graben.
„Catherine,
Hohemagierin des Zirkels der Magi von Steinhafen, Veteranin der Dämmerkriege,
Tochter des Leviatans hat … Angst? Vor was? Einem Schmied und seiner Ehefrau?“
Er lacht laut auf und wird von ihr prompt so heftig gegen die Tür der Kutsche
gestoßen, dass er Angst bekommt der Riegel würde brechen und er hinaus auf die
Schotterpiste knallen würde.
„Nicht deswegen!
Sie sind deine Eltern. Verdammt ich war noch nie bei irgendjemandes Eltern
eingeladen.“
„Ach du brauchst
doch keine Angst vor ihnen zu haben. Außer du sagst meiner Mutter, dir schmeckt
der Braten nicht und glaub mir, er wird dir nicht schmecken. Dann wirst du
ihren Kochlöffel zu spüren bekommen!“
Sie grinst.
„Hey, grins
nicht! Die Warnung ist ernst gemeint! Meine Mutter kann damit besser umgehen
als die Kommandanten der Wächter mit ihren Schwertern. Dummerweise hat ihr
niemand beigebracht wofür man die Teile ursprünglich gemacht hat …“, sinniert
er.
Nun lacht sie
richtig, ihre Sorgen für den Moment vergessen.
„Außerdem,
schlimmer als meine erste Begegnung mit deinem Vater kann es ja nicht werden,
oder?“
„Ich fass das
immer noch nicht. Erst pinkelst du ihn an und dann werdet ihr die besten
Freunde?“
„Tja, ich weiß
halt worauf die Leute stehen.“ Samarus streckt ihr seine Zunge entgegen, welche
sie mit einem bösen Blick beantwortet.
„Worüber redet
ihr eigentlich immer?“
„Verschiedenes,
Drachenangelegenheiten, Menschenangelegenheiten, Männerangelegenheiten, die
Welt … die Geschichte. Dein Paps hat echt eine Menge erlebt.“
„Kein Wunder, er
ist hunderttausendmal so alt wie du und trotzdem hast du keinen Respekt vor
ihm.“
„Ich habe
Respekt vor ihm … ich zeig ihn nur nicht oft. Wenn die Leute zu viel Respekt
vor einen haben, schadet das dem Charakter.“
„Na toll. Soll
ich mich auch so bei deinen Eltern benehmen?“
„Mh, besser
nicht wenn du nicht Bekanntschaft mit dem Kochlöffel machen willst. Meine
Familie wird aber eh mit mir beschäftigt sein. Du weißt schon, von wegen
jüngster Hohemagier der letzten tausend Jahre und so“, grinst er sie breit an.
Sie schnaubt
verächtlich. „Ich hab dem Erzmagier gesagt, er sollt es dir nicht sagen. Das
würd dir nur zu Kopf steigen. Wie recht ich doch hatte.“
„Ach komm, das
ist doch toll. Seit tausend Jahren gab es nicht einen Magier, der so jung in
den Stand der Hohemagier ernannt wurde! Baby, du bist mit jemand ganz
besonderen zusammen!“
„Ja Schatz, du
bist etwas gaaanz Besonderes.“, sagt sie, während sie ihm den Kopf tätschelt.
„Ich hab das
Gefühl, du meinst es nicht so, wie ich es gemeint habe. Du solltest nicht so
herablassend sein, nur weil du ein paar Jahrhunderte mehr Zeit hattest zum
Üben. Ich hab echt das Gefühl du würdigst mich nicht!“, gespielt verschränkt er
seine Arme und verzieht das Gesicht.
„Erstens: Ich
beschäftige mich keine fünfzig Jahre mit der Magie. Solange bin ich auch noch
nicht beim Zirkel. Zweitens: Ich würdige dich erst, wenn du dich deinem Standes
benimmst und auch mal deinen Pflichten als Hohemagier nachkommst.“
„Hey! Jeder
meiner Studenten hat Bestnoten bekommen und Dimensionskunde ist so beliebt wie
noch nie“, prahlt er.
„Ha! Ja, weil
jeder bei dir Bestnoten bekommt sobald er nur einmal pünktlich zum Unterricht
aufgetaucht ist. Kein Wunder also, dass jeder Student zu dir will.“
„Was denn? Ich
sehe das als riesen Leistung. Ich hab das nur ganz selten geschafft!“
„Das stimmt
sogar“, gibt sie kopfschüttelnd zu, „Hyrasis war zu gnädig mit dir. Was treibt
er jetzt eigentlich, nachdem du seine Klassen übernommen hast?“
„Keine Ahnung.
Irgendwie hängt er immer noch in den Vorlesungssälen von mir rum. Glaub ich
unterrichte ihn irgendwie …“
Stirnrunzelnd
betrachtet sie ihn, aber versucht erst gar nicht ihn darauf anzusprechen. Die
Antwort würde ihr sowieso nicht weiterhelfen.
Der Rest der Reise vergeht schweigend und Samarus widmet
sich wieder der Aussicht. Seit über drei Glockenschlägen sind sie bereits
unterwegs. Catherine hat sich einmal mehr durchgesetzt und so haben sie ihre Reise
mit einer Passagierkutsche früh am Morgen begonnen. Zugegeben, sein Wunsch das
er auf ihrem Rücken fliegend bei sich zu Hause majestätisch landen würde, war
vielleicht nicht der beste Einfall seines Lebens. Feld um Feld wandert an ihnen
vorbei und endlich tauchen die ersten uralten Nadelbäume auf, die mit ihrer
charakteristischen dunkelgrauen Farbe dem nächsten Dorf seinen Namen gegeben
haben: Grauwald, die Heimat seiner Familie.
„So wir sind da. Mach dir keine Sorgen, alles wird gut.
Sei du selbst und versuch einfach nicht meinen Vater anzupinkeln“, witzelt er
und mit einem Ruck öffnet sich die Kutschentür.
Die beiden
werden bereits erwartet. Seine beiden Eltern, sein Bruder samt Frau und Sohn,
sowieso seine große Schwester erwarten sie bereits.
„Hey, ist das alles an Empfangskomitee für
den jüngsten Hohemagier der letzten tausend Jahre?“, fragt Samarus mit Stolz
gestählter Brust in die Runde.
„Die anderen
kommen erst später. Wir hatten euch gar nicht so früh erwartet. Sonst kommt Sam
nie pünktlich“, gibt sein Vater von sich, „scheinbar hast du bereits einen
guten Einfluss auf ihn. Hi, ich bin Rodrik und das ist meine Frau Anna“, er
gibt ihr die Hand und seine Frau umarmt sie direkt. „Der Große hier ist unser
Ältester Karmik, mit seiner Angetrauten Leandra. Der kleine Wonneproppen in
ihren Armen ist Teon.“
„Freut mich
sehr.“ Auch diese zwei begrüßen sie herzlich.
„Zu guter Letzt
ist da noch Misa. Unse…“
„Toll dich
endlich kennen zu lernen!“, fällt Misa ihm ins Wort und umarmt sie überschwänglich.
„Dein Kleid sieht fantastisch aus, bist du hungrig? Du bist bestimmt hungrig.
Ihr hattet ja eine ewig lange Fahrt hinter euch. Komm rein, ich muss dir
unbedingt …“
Die Familie
umringt Catherine und während Misa sie in Richtung Haus zieht, bleibt ein
verdatterter Samarus zurück. „H, hey, ich bin doch…“
Sein Bruder
packt ihn in einem halben Schwitzkasten und zieht ihn mit sich. „Jaja, komm
lieber mit du toller Hohemagier.“
Die Feier ist im vollen Gange und inzwischen ist das
halbe Dorf, angelockt vom kostenlosen Essen, aufgetaucht. Während Catherine
sich mit seinem Vater über das Schmiedehandwerk unterhält, erzählt Misa Samarus
über ihre Zukunftspläne: „In einem halben Jahr will ich auch nach Steinhafen
ziehen.“
Er verschluckt
sich an seinem Bier. „W, was? Du willst nach Steinhafen? Was ist denn mit der
Schneiderei?“
„Das ist sooo
langweilig. Außerdem hab ich den Beruf nur angenommen um Geld zu sammeln für
den Umzug nach Steinhafen. Für die erste Zeit würd ich bei dir wohnen …“
„Bei mir?“
„… und dann,
wenn ich mir einen tollen Typen geangelt hab, zieh ich zu ihm. Hach, in
Steinhafen leben … ist das nicht toll? Diese riesige Stadt. Überall sind
Menschen aus allen Herren Ländern. Aristokraten aus Tijef, Junker aus Mesa …“
„… Meuchler aus
Hatra, Menschenhändler aus Süra, Menschenfresser aus Atoris …“
„Was?“
„Jaja, da
treiben sich so einige zwielichtige Typen rum.“
„Aber, kümmert
sich denn die Stadtwache nicht um sie?“
„Ha! Die
Stadtwache? Die besteht doch aus denselben Typen und korrupt sind sie auch.
Erst letztens wurde eine Frau vor ihrem Hauptposten vergewaltigt und die sollen
einfach nur zugesehen oder sogar applaudiert haben! Ich glaub die Frau war etwa
in deinem Alter ...“
Sie sieht ihn
vollkommen entsetzt an.
„Unglaublich nicht wahr? Die Verbrechensrate
ist im letzten Jahr um …“
Mit voller Wucht
kassiert er einen Hieb auf den Hinterkopf.
„AUA!“, ruft er
erschrocken. Sich den Kopf reibend dreht er sich um. Da steht Catherine mit
verschränkten Armen. „Was soll das?“, fragt er sie wütend.
„Hör auf deiner
armen Schwester so einen Mist zu erzählen! Sowohl die Wächter als auch
Mitglieder des Zirkels wachen über Steinhafen. Wir haben keine Stadtwache und
es gab seit Jahren keine ernsthaften Übergriffe mehr! Du willst nur nicht das
Mia nach Steinhafen zieht!“
Inzwischen sieht
bereits ein Großteil der Gäste den beiden beim Streiten zu.
Ertappt geht er
zum Gegenangriff über: „Wieso fällst du mir in den Rücken? Du bist keine große
Hilfe. Man wieso nur hab ich dir einen Antrag gemacht …“ Leicht benommen reibt
er sich kopfschüttelnd den Hinterkopf, während zuerst ihre Augen größer werden,
dann seine und zu guter Letzt die Augen der restlichen Gäste. „Scheiße, das
sollt ich ja noch nicht sagen!“
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