Freitag, 15. März 2013

DK 06 Familie


 „Ich habe Angst.“
   Verwirrt reißt Samarus sich von der Aussicht los. „Bitte?“ Er beobachtet wie sich ihre Hände nervös ineinander graben.
   „Du hast mich vorhin gefragt was mit mir los wäre. Ich habe Angst“, gibt sie beschämt zu.
   „Catherine, Hohemagierin des Zirkels der Magi von Steinhafen, Veteranin der Dämmerkriege, Tochter des Leviatans hat … Angst? Vor was? Einem Schmied und seiner Ehefrau?“ Er lacht laut auf und wird von ihr prompt so heftig gegen die Tür der Kutsche gestoßen, dass er Angst bekommt der Riegel würde brechen und er hinaus auf die Schotterpiste knallen würde.
   „Nicht deswegen! Sie sind deine Eltern. Verdammt ich war noch nie bei irgendjemandes Eltern eingeladen.“
   „Ach du brauchst doch keine Angst vor ihnen zu haben. Außer du sagst meiner Mutter, dir schmeckt der Braten nicht und glaub mir, er wird dir nicht schmecken. Dann wirst du ihren Kochlöffel zu spüren bekommen!“
   Sie grinst.
   „Hey, grins nicht! Die Warnung ist ernst gemeint! Meine Mutter kann damit besser umgehen als die Kommandanten der Wächter mit ihren Schwertern. Dummerweise hat ihr niemand beigebracht wofür man die Teile ursprünglich gemacht hat …“, sinniert er.
   Nun lacht sie richtig, ihre Sorgen für den Moment vergessen.
   „Außerdem, schlimmer als meine erste Begegnung mit deinem Vater kann es ja nicht werden, oder?“
   „Ich fass das immer noch nicht. Erst pinkelst du ihn an und dann werdet ihr die besten Freunde?“
    „Tja, ich weiß halt worauf die Leute stehen.“ Samarus streckt ihr seine Zunge entgegen, welche sie mit einem bösen Blick beantwortet.
   „Worüber redet ihr eigentlich immer?“
   „Verschiedenes, Drachenangelegenheiten, Menschenangelegenheiten, Männerangelegenheiten, die Welt … die Geschichte. Dein Paps hat echt eine Menge erlebt.“
   „Kein Wunder, er ist hunderttausendmal so alt wie du und trotzdem hast du keinen Respekt vor ihm.“
   „Ich habe Respekt vor ihm … ich zeig ihn nur nicht oft. Wenn die Leute zu viel Respekt vor einen haben, schadet das dem Charakter.“
   „Na toll. Soll ich mich auch so bei deinen Eltern benehmen?“
   „Mh, besser nicht wenn du nicht Bekanntschaft mit dem Kochlöffel machen willst. Meine Familie wird aber eh mit mir beschäftigt sein. Du weißt schon, von wegen jüngster Hohemagier der letzten tausend Jahre und so“, grinst er sie breit an.
   Sie schnaubt verächtlich. „Ich hab dem Erzmagier gesagt, er sollt es dir nicht sagen. Das würd dir nur zu Kopf steigen. Wie recht ich doch hatte.“
   „Ach komm, das ist doch toll. Seit tausend Jahren gab es nicht einen Magier, der so jung in den Stand der Hohemagier ernannt wurde! Baby, du bist mit jemand ganz besonderen zusammen!“
   „Ja Schatz, du bist etwas gaaanz Besonderes.“, sagt sie, während sie ihm den Kopf tätschelt.
   „Ich hab das Gefühl, du meinst es nicht so, wie ich es gemeint habe. Du solltest nicht so herablassend sein, nur weil du ein paar Jahrhunderte mehr Zeit hattest zum Üben. Ich hab echt das Gefühl du würdigst mich nicht!“, gespielt verschränkt er seine Arme und verzieht das Gesicht.
   „Erstens: Ich beschäftige mich keine fünfzig Jahre mit der Magie. Solange bin ich auch noch nicht beim Zirkel. Zweitens: Ich würdige dich erst, wenn du dich deinem Standes benimmst und auch mal deinen Pflichten als Hohemagier nachkommst.“
   „Hey! Jeder meiner Studenten hat Bestnoten bekommen und Dimensionskunde ist so beliebt wie noch nie“, prahlt er.
   „Ha! Ja, weil jeder bei dir Bestnoten bekommt sobald er nur einmal pünktlich zum Unterricht aufgetaucht ist. Kein Wunder also, dass jeder Student zu dir will.“
   „Was denn? Ich sehe das als riesen Leistung. Ich hab das nur ganz selten geschafft!“
   „Das stimmt sogar“, gibt sie kopfschüttelnd zu, „Hyrasis war zu gnädig mit dir. Was treibt er jetzt eigentlich, nachdem du seine Klassen übernommen hast?“
   „Keine Ahnung. Irgendwie hängt er immer noch in den Vorlesungssälen von mir rum. Glaub ich unterrichte ihn irgendwie …“
   Stirnrunzelnd betrachtet sie ihn, aber versucht erst gar nicht ihn darauf anzusprechen. Die Antwort würde ihr sowieso nicht weiterhelfen.

Der Rest der Reise vergeht schweigend und Samarus widmet sich wieder der Aussicht. Seit über drei Glockenschlägen sind sie bereits unterwegs. Catherine hat sich einmal mehr durchgesetzt und so haben sie ihre Reise mit einer Passagierkutsche früh am Morgen begonnen. Zugegeben, sein Wunsch das er auf ihrem Rücken fliegend bei sich zu Hause majestätisch landen würde, war vielleicht nicht der beste Einfall seines Lebens. Feld um Feld wandert an ihnen vorbei und endlich tauchen die ersten uralten Nadelbäume auf, die mit ihrer charakteristischen dunkelgrauen Farbe dem nächsten Dorf seinen Namen gegeben haben: Grauwald, die Heimat seiner Familie.

„So wir sind da. Mach dir keine Sorgen, alles wird gut. Sei du selbst und versuch einfach nicht meinen Vater anzupinkeln“, witzelt er und mit einem Ruck öffnet sich die Kutschentür.
   Die beiden werden bereits erwartet. Seine beiden Eltern, sein Bruder samt Frau und Sohn, sowieso seine große Schwester erwarten sie bereits.
   „Hey, ist das alles an Empfangskomitee für den jüngsten Hohemagier der letzten tausend Jahre?“, fragt Samarus mit Stolz gestählter Brust in die Runde.
   „Die anderen kommen erst später. Wir hatten euch gar nicht so früh erwartet. Sonst kommt Sam nie pünktlich“, gibt sein Vater von sich, „scheinbar hast du bereits einen guten Einfluss auf ihn. Hi, ich bin Rodrik und das ist meine Frau Anna“, er gibt ihr die Hand und seine Frau umarmt sie direkt. „Der Große hier ist unser Ältester Karmik, mit seiner Angetrauten Leandra. Der kleine Wonneproppen in ihren Armen ist Teon.“
   „Freut mich sehr.“ Auch diese zwei begrüßen sie herzlich.
   „Zu guter Letzt ist da noch Misa. Unse…“
   „Toll dich endlich kennen zu lernen!“, fällt Misa ihm ins Wort und umarmt sie überschwänglich. „Dein Kleid sieht fantastisch aus, bist du hungrig? Du bist bestimmt hungrig. Ihr hattet ja eine ewig lange Fahrt hinter euch. Komm rein, ich muss dir unbedingt …“
   Die Familie umringt Catherine und während Misa sie in Richtung Haus zieht, bleibt ein verdatterter Samarus zurück. „H, hey, ich bin doch…“
   Sein Bruder packt ihn in einem halben Schwitzkasten und zieht ihn mit sich. „Jaja, komm lieber mit du toller Hohemagier.“

Die Feier ist im vollen Gange und inzwischen ist das halbe Dorf, angelockt vom kostenlosen Essen, aufgetaucht. Während Catherine sich mit seinem Vater über das Schmiedehandwerk unterhält, erzählt Misa Samarus über ihre Zukunftspläne: „In einem halben Jahr will ich auch nach Steinhafen ziehen.“
   Er verschluckt sich an seinem Bier. „W, was? Du willst nach Steinhafen? Was ist denn mit der Schneiderei?“
   „Das ist sooo langweilig. Außerdem hab ich den Beruf nur angenommen um Geld zu sammeln für den Umzug nach Steinhafen. Für die erste Zeit würd ich bei dir wohnen …“
   „Bei mir?“
   „… und dann, wenn ich mir einen tollen Typen geangelt hab, zieh ich zu ihm. Hach, in Steinhafen leben … ist das nicht toll? Diese riesige Stadt. Überall sind Menschen aus allen Herren Ländern. Aristokraten aus Tijef, Junker aus Mesa …“
   „… Meuchler aus Hatra, Menschenhändler aus Süra, Menschenfresser aus Atoris …“
   „Was?“
   „Jaja, da treiben sich so einige zwielichtige Typen rum.“
   „Aber, kümmert sich denn die Stadtwache nicht um sie?“
   „Ha! Die Stadtwache? Die besteht doch aus denselben Typen und korrupt sind sie auch. Erst letztens wurde eine Frau vor ihrem Hauptposten vergewaltigt und die sollen einfach nur zugesehen oder sogar applaudiert haben! Ich glaub die Frau war etwa in deinem Alter ...“
   Sie sieht ihn vollkommen entsetzt an.
   „Unglaublich nicht wahr? Die Verbrechensrate ist im letzten Jahr um …“
   Mit voller Wucht kassiert er einen Hieb auf den Hinterkopf.
   „AUA!“, ruft er erschrocken. Sich den Kopf reibend dreht er sich um. Da steht Catherine mit verschränkten Armen. „Was soll das?“, fragt er sie wütend.
   „Hör auf deiner armen Schwester so einen Mist zu erzählen! Sowohl die Wächter als auch Mitglieder des Zirkels wachen über Steinhafen. Wir haben keine Stadtwache und es gab seit Jahren keine ernsthaften Übergriffe mehr! Du willst nur nicht das Mia nach Steinhafen zieht!“
   Inzwischen sieht bereits ein Großteil der Gäste den beiden beim Streiten zu.
   Ertappt geht er zum Gegenangriff über: „Wieso fällst du mir in den Rücken? Du bist keine große Hilfe. Man wieso nur hab ich dir einen Antrag gemacht …“ Leicht benommen reibt er sich kopfschüttelnd den Hinterkopf, während zuerst ihre Augen größer werden, dann seine und zu guter Letzt die Augen der restlichen Gäste. „Scheiße, das sollt ich ja noch nicht sagen!“

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