Donnerstag, 14. März 2013

DK 07 Hoch die Krüge!


 „Hoch die Krüge!“, ruft Samarus freudig in den Raum hinein, während er seinen Bierkrug in den Himmel streckt.
   Verwirrte Blicke der anderen Gäste starren ihm entgegen. Ein paar von ihnen sehen sich verwundert an.
   „Oh stimmt“, gibt er kopfkratzend zu, „ich hab ja ganz vergessen euch zu sagen wofür.“

   Nur geradeso schafft es Diamedes seinen Kopf aufzuhalten, ehe er ihn sich selbst gegen den Tisch schlägt.
   „Also meine, mir unbekannten, Freunde: Mein, euch ebenfalls unbekannter, Freund Diamedes hier, hat heute Mittag eine Einladung des Bundes der Medici erhalten. Ihm soll eine Auszeichnung verliehen werden für seine humanitären Dienste oder genauer gesagt: Dafür, dass er jeden zusammenflickt, der ihn nett anlächelt“, er hält kurz inne. „Ja, auch dich dahinten mit deinen schwarzen Zähnen. Auch wenn ich dir doch einen Barbierbesuch empfehlen würde. Ansonsten musst du vielleicht früher zu ihm, als es dir lieb wäre.“
   Die anderen Gäste lachen.
   „Also, heben wir unsere Krüge für Diamedes. Das er uns auch in Zukunft gratis behandelt!“, ruft er und streckt erneut den Krug in die Höhe.
   Dieses Mal reagieren die anderen Gäste. Viele heben ihre Krüge und prosten Diamedes zu. Ein paar rufen sogar: „Auf Diamedes!“
   Dieser wiederum würde aktuell wohl am liebsten ganz woanders sein. Aber notgedrungen lächelt er und hebt zaghaft seinen Krug. Als sich Samarus wieder neben ihn hingesetzt hat zischt er ihn von der Seite zu: „Verdammt, du hast deine Drohung echt war gemacht!“
   „Was hast du denn erwartet?“, er legt sich den Zeigefinder an die Lippen. „Mh, ich hätte dich vielleicht noch eine Rede halten lassen sollen“, überlegt er laut.
   Kurz werden Diamedes Augen groß, doch dann fängt er sich wieder. „Tja, dafür ist es zu spät. Es schaut schon keiner mehr hierrüber.“
   „Da hast du wohl Recht. Nicht ganz so gastfreundlich die Kneipe hier wie man mir gesagt hat.“
   „Du warst noch nie hier?“
   „Nein. Hyrasis hat mir den Laden empfohlen.“
   „Hyrasis? War das nicht einer der Hohemagier? Warum geht ein Hohemagier in so eine Spelunke und empfiehlt sie dann auch noch? Ich mein hier laufen ja einige sehr komische Typen rum. Glaub die Hälfte der Gäste hier ist bewaffnet“, er sieht sich ein wenig nervös um.
   „Naja, er meinte hier gäbe es das billigste Bier von Steinhafen“, gibt Samarus schulterzuckend zu.
   Verwirrt zieht Diamedes eine Augenbraue hoch. „Das ist doch keine Empfehlung für eine Bar um zu feiern?“, er stockt. Nach einen kurzen Moment begreift er es: „Außer natürlich der Einladende hat gesagt er würde die Zeche zahlen“, funkelt er ihn an.
   Samarus grinst breit. „Hey! Hohemagier sind keine reichen Medicis. Wir müssen halt sehen wo wir bleiben.“
   „Du weißt genau, ich zähle nicht zu den Reichen unter den Medici.“
   „Stimmt allerdings“, gibt er zu. „Aber so schlecht ist der Laden nun auch wieder nicht. Mir ist das Bier zumindest noch nicht hochgekommen.“
   „Mh, ja. Ich hab wirklich schon schlechteres getrunken. Aber ich bin doch ganz froh, dass Val im Hort ist. Dieses Lokal würde ihr wohl nicht gefallen.“
   „Vermutlich. Was treibt sie da eigentlich?“
   „Nichts Besonderes. Es gibt da wohl ein paar Unruhestifter, die seit einiger Zeit immer wieder für Ärger sorgen. Scheinbar ist Marek ihr Rädelsführer oder so“, bei diesen Namen zuckt Samarus kurz zusammen, „aber nichts Ernstes. Valera ist dort um eine Eskalation zu vermeiden. Du weißt ja, wenn Leviatan auf den Tisch haut, dann ist nicht mehr viel von dem Tisch übrig.“
   „Oder von dem Haus, in dem der Tisch einmal stand.“
   „Da hast du wohl recht“, lacht Diamedes. „Hatte Cat eigentlich auch keine Zeit?“
   „Ach naja, weißt du? Sie sieht nicht so gerne wenn ich was trinke. Also hab ich mir gedacht: Lass ich es sie nicht sehen und sag ihr einfach nichts davon.“
   „Aha. Lag das vielleicht daran, wie du dich bei deinem Junggesellenabschied zugeschüttet hast? Also da muss sie sich keine Sorgen machen. Ich sorg schon dafür, dass du nicht zu viel trinkst.“
   Samarus protestiert: „Ach komm schon. So viel hab ich auch nicht getrunken!“
   „Du musstest dich ja nicht nach Hause schleppen. Mir tut immer noch der Rücken weh, obwohl das jetzt auch schon fast ein Jahr her ist“, er hält kurz inne. „Wo wir gerade davon sprechen: Habt ihr nicht sogar bald euren ersten Hochzeitstag?“
   Samarus Augen werden groß.
   „Ich komm nicht mehr drauf. Das war doch auch irgendwann am Monatsanfang oder nicht?“
   Samarus Augen werden noch viel größer.
   Gelassen blickt Diamedes seinen Freund an. „Heute?“
   Ein kurzes Nicken, gefolgt von Stille.
   „Ich bin jetzt nicht so der übergroße Experte darin, aber solltest du nicht vielleicht jetzt panisch aufspringen und nach Hause rennen? Damit du noch retten kannst, was noch zu retten ist und so?“
   Samarus greift sich sein Bier. „Ich habe unseren ersten Hochzeitstag vergessen, habe ihr nicht gesagt wo ich hingehe, seit knapp vier Glockenschlägen sollte ich bereits zu Hause sein und außerdem hab ich bereits drei Biere intus. Da ist nichts mehr retten“, er kippt sein Bier runter und greift sich das nächste, „wenn ich nach Hause komme bin ich tot. Also warum sollte ich es da eilig haben?“, fragt er seinen Freund.
   Kopfschüttelnd gibt der ihm Recht und stößt mit ihm an.

Die Abendstunden vergehen und in der Kneipe wird es immer voller. Gerade als Diamedes eine Geschichte über einen Patienten und seinen Pümpel erzählt wird Samarus hellhörig.
   „Hab dieser Missgeburt meine Klinge durch die Kehle gerammt. Da war dann Schluss mit dem Feuerspeien. Das Vieh ist total panisch geworden und hat um sich geschlagen, aber ich konnte …“, erzählt ein gerüsteter Mann an der Theke. Um ihn herum hat sich inzwischen eine Menschentraube gebildet.
   „Über was redet der denn da?“, fragt er einen Schaulustigen, der gerade gehen wollte.
   „Bitte? Ach er behauptet er hätte einen Drachen mit bloßen Händen erlegt. War aber wohl eher seine ganze Gruppe. Ein Angeber halt.“ Der Mann geht weiter.
   Samarus kneift seine Augen wütend zusammen. „Ist das ein Witz? Der prahlt hier mit einem Mord? Hast du das gehört Dia?“
   Diamedes blickt stur auf seinen Krug herab. „Hör einfach nicht hin und trink weiter.“
   „Was?“, verwirrt sieht er zuerst den Mann an der Theke und dann seinen Freund an. „Stört dich das etwa nicht?“
   „Natürlich. Aber was sollten wir dagegen unternehmen können?“, gibt er niedergeschlagen zu. „Wenn du jetzt darüber gehst bekommst du nur Ärger mit ihm und seinen Leuten dahinten“, er zeigt auf eine größere Gruppe auf der anderen Seite der Bar. Jeder dieser Männer trägt eine schwere Kettenrüstung.
   Schnaubend gibt Samarus ihm Recht. „Na gut. Aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten um ihn zum Schweigen zu bringen“, grinst er.
   „Was meinst du?“, fragt Diamedes beunruhigt, während er beobachtet sein Freund einige Symbole auf den Boden eines leeren Kruges zeichnet.
   „So, das sollte reichen“, strahlt er. Kurz sieht er sich nach der Kellnerin um. Als er sie sieht, ruft er sie zu sich. „Können sie uns bitte vier große Krüge Bier besorgen? So voll wie möglich bitte.“
   Die Kellnerin hebt nur kurz eine Augenbraue, aber macht sich dann auf den Weg hinter die Theke.
   „Was hast du vor?“, fragt ihn Diamedes nervös.
   „Siehst du gleich. Wart es nur ab. Ah, da kommt sie ja schon wieder.“ Schnell nimmt er die Biere entgegen und bezahlt die Frau.
   „Sooo, jetzt schau gut zu“ Er greift sich jeweils zwei der Biere mit einer Hand und hält sie, bereit zum Reinschütten, über den leeren Krug. „Noch nicht“ Er blickt immer wieder rüber zu dem Kerl an der Theke, der immer noch davon erzählt wie er den Drachen abgeschlachtet hat. Gerade als er zu seinem Bier greift und es an seine Lippen führt gibt Samarus das Signal. „Jetzt!“ In diesem Moment kippt er die vier vollen Krüge um und schüttet ihren Inhalt in das leere.
   Ein gewaltiger Bierschwall schlägt den Kerl an der Theke ins Gesicht. Sofort weicht die Menge zurück, während der Mann versucht japsend zu Atem zu kommen. Er ist vollkommen in Bier gebadet. Halbblind und orientierungslos versucht er die Theke zu greifen, aber verfehlt sie um knapp zwei Fuß. Mit voller Wucht klatscht er auf den Boden der Bar.
   Samarus wiederum kann sich selbst kaum halten, allerdings vor Lachen. Nur mühselig kann er sein Gegackere unterdrücken, während er die hoffnungslosen Bemühungen des Mannes wieder aufzustehen beobachtet. „Hast du das gesehen?“, fragt er zwischen seinen Lachern Diamedes.
   Nervös antwortet der: „Ja, aber wir sollten jetzt besser gehen.“
   Langsam fängt er sich wieder. „Na gut, na gut. Ist eh schon spät.“
   In dem entstandenen Tumult verlassen beide die Bar.

„Man hast du das gesehen? So eine Lachnummer sag ich dir. Wie blöde der gekuckt hat. Ein Bild für die Götter, aber das hat dieser Dreckskerl auch verdient für den Mist, den er erzählt hat. Weißt du ….“
   „Hey ihr, wartet mal“, wird er unterbrochen.
   Verwirrt dreht sich Samarus um. In der Gasse hinter ihnen hat sich die Gruppe gesammelt, die eben noch hinten in der Kneipe saß. Knapp sieben schwer gerüstete Krieger. Während die vorderen ihre Klingen ziehen stößt sich einer von ihnen nach vorne. Es ist der Mann von der Theke.
   „Das wart ihr Arschlöcher oder? Kumar hat gesehen wie du Bastard so ein beschissenes Ritual veranstaltest hast“, dabei zeigt er auf Samarus. „Wisst ihr eigentlich mit wem ihr euch angelegt habt?“
   „Mit wem denn?“, fragt Samarus gefasst, während er Diamedes nach hinten schiebt.
   „Ich bin Stoll Rotbuch und das sind meine Männer!“, er zieht sein Schwert. „Wir gehören zu den gefürchteten Drachenjägern von Tijef! Wie kannst du es wagen, dich mit uns anzulegen?“, brüllt er und schlägt zu.
   Die Klinge durchschlägt Samarus viel zu leicht und dringt bereits aus seiner Hüfte raus, ehe der Mann es begreift: „Eine Illusion?“
   „Freut mich euch kennenzulernen“, erklingt hinter ihm Samarus eiskalte Stimme. „Mein Name ist Samarus Dev. Hohemagier des Zirkels der Magi von Steinhafen, Gebieter über die Sphären, Herr der Schatten, Meister der Finsternis und Freund des Leviatans … Willkommen in Steinhafen.“
   Geklapper von Rüstungen und panische Stimmen erklingen von Hinten, als sich Rotbuch umdreht. Entsetzt muss er mitansehen wie seine Männer vor dem Mann fliehen, dessen Hinterkopf er gerade betrachtet. „Was zum Teufel?“
   „Diesen Titel trage ich nicht, auch wenn man mich schon öfters so genannt hat“, sagt Samarus, während er sich herumdreht. Jetzt sieht auch Rotbuch, warum seine Männer geflohen sind: Samarus Augen sind pechschwarz und die Adern in seinem Gesicht haben dieselbe Farbe angenommen. Der Ausdruck in seinem Gesicht sieht aus, wie der eines Dämons. Lässig hält er seinen linken Arm vor sich, an dessen Ende sich eine in Finsternis gehüllte Klinge befindet. Träge wabern einige Schatten um seinen Körper herum. Panisch reißt Rotbuch seine Augen auf.
   „Nun? Währt ihr jetzt auch so nett und verlasst unsere Stadt? Euresgleichen sind hier nicht erwünscht müsst ihr verstehen“, während er das sagt legt er lässig seinen Kopf schief.
   Gerade als Samarus einen Fuß nach vorne setzt, reißt bei dem Mann der letzte Faden seiner Selbstbeherrschung. Angsterfüllt schmeißt er sich herum und rennt die Gasse entlang, wobei er dabei fasst in Diamedes hineinrennt.
   „Wow, das war wirklich … Angsteinflößend“, gibt Diamedes zu, wobei er seinen Freund vorsichtig beobachtet.
   „Ja, nicht wahr?“, antwortet ihm Samarus freudig. Lässig dreht er den Dolch in seiner Hand. Langsam aber stetig verschwindet er wieder in den Schatten. „Ich kann echt gruselig sein, oder?“, kichert er im Vorbeigehen. „So, nun komm. Ich muss mich jetzt einer wahren Gefahr stellen. Komm mein treuer Recke, lasset uns in das Antlitz des Todes blicken“, sagt er und zeigt in Richtung des Magierviertels, wo ihn seine Geliebte erwartet.

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