„Sie haben eine
weitere Stadt angegriffen!“
Catherine dreht
sich verwirrt um und sieht ihren aufgewühlten Ehemann in der Tür stehen. „Wer?“
„Na wer wohl.
Ein Drache natürlich. Ohne Vorwarnung hat er ein Großteil des Viehs
niedergemetzelt. Die Bewohner von Tiefenbrug haben versucht ihn zu vertreiben,
was definitiv keine gute Idee war. Er ist vollkommen ausgetickt und hat die
halbe Stadt in Brand gesetzt. Erst als die Wächter zur Stadt kamen, hat sich
dieser Feigling vom Acker gemacht. Über vierzig Menschen sind bei dem Feuer
umgekommen. VIERZIG!“, brüllt er.
„Verdammt. Sie
werden immer aggressiver. Diese elenden Vulkangeborenen“, murmelt sie.
Er hält inne.
„Moment, was hast du gesagt? Vulkangeborene? Von denen hör ich zum ersten Mal.“
„Ich hätte dir
wohl schon früher von ihnen erzählen sollen. Ihre Gruppierung gewinnt immer
mehr an Kraft nach dem Tod unseres Vaters. Ihr Anführer ist ein noch recht
junger Drache namens Marek. Du erinnerst dich bestimmt noch an ihn.“
Er reibt sich
die Rippen. „Ja, leider.“
„Für sein Alter
ist er schon ziemlich groß und mächtig. Manche sagen sogar, er könnte
irgendwann so stark wie unser Vater werden. Die Vulkangeborenen setzen sich
dafür ein den Drachen wieder ihren ursprünglichen Platz in der Nahrungskette
einnehmen zu lassen.“
„Ihren
ursprünglichen Platz in der Nahrungskette?“, er spuckt aus, „sprich es doch
direkt aus. Sie wollen die Menschheit unterwerfen!“
„Vermutlich,
aber sie sind nur eine kleine Gruppe! Ihre Meinung ist nicht die aller
Drachen!“
„Ach und was ist
die Meinung aller Drachen? Das war bereits der dritte Übergriff auf eine
unserer Siedlungen innerhalb dieser Woche! Wieso unternehmen die Anderen nichts
gegen ihre Artgenossen?“
Sie sieht zu
Boden. „Nach Vaters Tod herrscht Chaos. Er hat ein riesiges Machtvakuum
hinterlassen. Sie streiten über die Zukunft unseres Volkes.“
„Ach und da sind
sie nicht einmal in der Lage ihr Bedauern auszusprechen? Nicht einmal die
kleinste Anteilnahme? Nichts! Das schockt mich am Meisten. Sie akzeptieren es
einfach das diese Vulkangeborenen uns angreifen.“
Catherines Kopf
ruckt hoch, ihre Augen weiten sich. „Aber …“
„Kein aber“,
fällt er ihr ins Wort. „So ist es doch. Das kannst du nicht leugnen. Ich
versteh nur nicht wieso …“
Stille erfüllt
den Raum. Gerade als sich Samarus entnervt abwenden will, gibt sie ihm seine
Antwort: „Sie haben Angst.“
„Angst? Vor den
Vulkangeborenen? Ich dachte es sind nicht so viele und dieser Marek mag zwar
stark sein, aber es gäbe doch genug andere Drachen, die sich mit ihm messen
könnten.“
Sie schüttelt
ihren Kopf wobei ihre lange braune Mähne hin und her schwingt. „Nein, nicht vor
ihnen. Sie haben Angst vor euch.“
Geschockt sieht
er sie an. „Vor uns?“
„Ja, sie haben
Angst vor den Menschen.“
„Moment, das
verstehe ich nicht. Wieso sollten die Drachen Angst vor uns haben?“
Ihre Stimme wird
leiser. „Weist du was ein Drachenjäger ist?“
Verwirrt sieht
er sie an. „Ein Drachenjäger?“, er überlegt kurz. „Die Bezeichnung kommt mir
bekannt vor. Ja, genau. So ein Typ hat sich und seine Leute so genannt, aber
das war eigentlich ein uralter Beruf. Damals vor dem Friedenspakt gab es einige
Menschen, die sich auf die Jagd nach Drachen spezialisierten. Durch die
häufigen Übergriffe auf menschliche Siedlungen gab es viele Menschen die gut
für das Erlegen eines Drachen bezahlt haben. Es gibt auch Sagen über besonders
geschickte Kämpfer. Sie haben mit magisch verstärkten Waffen gekämpft oder aus
den Gebeinen ihrer Beute geschnitzte Speere“, er hält inne. „Aber das ist
Ewigkeiten her. Ich verstehe nicht was du mir damit sagen willst.“
„Es ist leider
nicht Ewigkeiten her. Diesen Beruf gibt es immer noch. Insbesondere in den
ländlichen und gebirgsnahen Regionen gibt es sie. Sobald sich ein Drache in der
Nähe eines Dorfes zeigt, werden sie gerufen und dann jagen sie ihn. Sobald sie
ihn gestellt haben ermorden sie ihn und weiden ihn aus. Sowohl sein Fleisch als
auch seine Knochen werden dann verkauft. Auch nach Steinhafen. Besonders nach
Steinhafen!“
Er sieht sie
entsetzt an. „Aber die Wächter, sie würden sie doch sofort festnehmen …“
„Ha! Nein, die
Wächter sehen einfach weg. Sie interessieren sich einen Scheiß für einen toten
Drachen!“
„Aber …“
„Kein aber!“,
brüllt nun sie ihn an. „Über dreihundert Drachen wurden im letzten Jahr
getötet! Nicht einer dieser Mörder wurde festgenommen, geschweige denn
verurteilt. Sobald wir versuchen selber zu ermitteln werden uns Steine in den Weg
gelegt!“
Samarus
schüttelt ungläubig seinen Kopf. „Das kann ich nicht glauben.“
„Das musst du.
Es ist die Wahrheit. Durch den Friedenspakt ist es jedem Drachen verboten sich
an Menschen zu vergreifen und Leviatan hat dieses Gesetz gnadenlos durchgesetzt.
Aber bei euch?“, sie schüttelt angewidert den Kopf. „Insbesondere in den
letzten zehn Jahren ist es immer schlimmer und schlimmer geworden.“
Geschockt setzt
Samarus sich.
„Was glaubst du
warum wir nicht offen unter euch leben? Warum wir sagen wir wären Menschen?
Weil wenn wir uns offenbaren, wir damit rechnen müssten, uns könnte jemand im
Schlaf die Kehle durchschneiden und unsere Innereien auf dem Schwarzmarkt
verkaufen. Niemand würde versuchen den Täter davon abzuhalten, geschweige denn
zu bestrafen.“
„Das wusste ich
nicht. Das wusste ich wirklich nicht. Scheiße ich hatte keine Ahnung das ...“
Ein Grauen packt ihn als er es begreift: „Deswegen hast du mich so angesehen
als ich dir offenbart hatte, ich wüsste, was du bist?“ Er springt auf und läuft
panisch durch den Raum. „Ich muss dir eine Höllenangst eingejagt haben.
Scheiße, du hattest Angst um dein Leben. Ich wollte nicht, ich hätte nie …“
Catherine hält
ihn auf und umarmt ihn. „Das weiß ich jetzt und das wusste ich auch schon
damals. Du würdest niemals jemanden etwas über mich verraten. Das weiß ich
doch.“ Sie lächelt ihn an und als er sich endlich entspannt gibt sie ihn einen
sanften Kuss auf den Mund.
„Komm, wir
müssen immer noch einkaufen.“ Sie greift ihn am Arm und zieht ihn hinaus aus
ihrer gemeinsamen Wohnung.
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