„Ich kann das
immer noch nicht glauben … sieben Jahre und du hast mir nie erzählt wie
angespannt die Lage zwischen Menschen und Drachen wirklich ist.“
Sie wird
langsamer. „Ich wollte dich nicht beunruhigen. Dich hat es nie gekümmert was
ich nun bin, warum sollt ich dich dann mit etwas belasten, was du eh nicht
ändern … Moment, sieben Jahre?“, sie reibt sich die Stirn. „Neun … wir sind
seit neun Jahren zusammen. Kann doch nicht so schwer sein sich das zu merken,
oder?“
„Weiß ich doch,
hab auch nicht ab unserem ersten Treffen gezählt.“
„Mh? Von wann
dann?“, fragt sie ihn verwirrt.
„Von unserem
ersten Mal ohne Schutz.“
„Was?“, brüllt
sie ihn an. Sie wird knallrot und sieht sich schnell um. Keiner in der Nähe.
Sie sind alleine in der Gasse.
Mit gehobenen
Zeigefinger erklärt er es ihr: „Ab da beginnt wahres Vertrauen.“
Catherines
Gesicht verzerrt sich zu einer Mischung aus verdutztem Erstaunen und einen
guten Schuss Ekel. „Du … du … du hast echt einen Knall.“
„Ich dich auch,
ich dich auch.“
„Ach, wo wir gerade beim Thema sind …“
„Ich glaub das
will ich gar nicht hören“, gibt sie schnaubend zur Antwort.
„… müssen wir
noch zu dieser komischen Kräuterfrau für deine ‚Medizin‘?“
„Ich wusste es
doch und nein, wir brauchen nur etwas Salat, Gemüse und Fleisch für heut
Abend.“
„Ah, meine
Lieblingsspeisen. Naja, bis auf das Gemüse und den Salat.“
Inzwischen haben beide das Magierviertel, was sich um den
Zirkel herum zieht, verlassen und nähern sich dem größten Marktplatz der
Oststadt.
„Mh, ich glaub
ich muss noch einmal unser vorheriges Thema aufgreifen …“
„Wenn du mich
jetzt nach meinen Zyklus fragst hau ich dir den Korb solange gegen deinen
Schädel bis du nicht mehr zuckst!“, zischt sie ihn an.
„Doch nicht
dieses Thema.“ Samarus hebt beschwichtigend die Arme. „Ich mein worüber wir
davor geredet haben.“
„Oh“, der
wütende Ausdruck verschwindet sofort aus ihrem Gesicht.
„Deinen Zyklus
kenn ich sowieso auswendig.“
Da ist er
wieder.
„Nein, mich
beschäftigt es wieso ich davon nie so richtig etwas mitbekommen habe. Ja gut,
da waren diese Typen aus Tijef, aber ansonsten? Bei uns im Dorf waren nie
Drachenjäger. Ok, meine Tante hat mir gerne einmal ein paar Geschichten über
Drachen erzählt, aber die haben eher meine Neugierde geweckt als alles andere.
Es war nie so, als ob man voller Hass über Drachen geredet hätte. Ich erinnre
mich daran: Einmal kam ein Junge aus unserem Dorf angerannt und hat felsenfest
behauptet er hätte einen Drachen gesehen. Aber als wir dahin gerannt sind wo er
ihn gesehen hatte, war da nichts und wir haben ihn nur ausgelacht.“
„Ich weiß es
nicht. Regionale Unterschiede?“
„Mh?“
„Grauwald liegt
fern ab von jedem Gebirge und mitten in einem großen Wald. Das sind beides
keine Gebiete in denen Drachen gerne leben. Vermutlich wurde die Stadt nie von
einem Drachen angegriffen.“
Er denkt nach.
„Das könnte sein. Ich wüsste auch nicht, es hätte in den Nachbarstädten jemals
Drachenangriffe gegeben. Wir hatten wohl nie ernsthaft Berührungen mit den
Drachen. Tijef liegt näher am Drachenhort und befindet sich auch nicht in der
Nähe von großen Wäldern. Dort waren Angriffe früher vermutlich die Regel. Wenn
wir zurück sind, kannst du mir dann mehr über die Konflikte erzählen?“
„Sicher doch,
aber lass uns jetzt erst mal … Hey! Pass
gefälligst auf!“
Ein Mann
drängelt sich unsanft an ihr vorbei.
„Was ist denn da
vorne los?“
In der Mitte des
Platzes, wo normalerweise zu diesem Glockenschlag die Puppenspieler ihre Künste
präsentieren, hat sich eine große Ansammlung von Menschen gebildet. Sie
umringen eine provisorisch aufgebaute Bühne, auf der ein einzelner Mann steht.
„…
abgeschlachtet. Ob Junge oder Alte, ob Männer oder Frauen, diese Monster haben
sie alle abgeschlachtet. Erst die herbeieilenden tapferen Wächter konnten unter
schweren Verlusten diese Abscheulichkeiten vertreiben …“
„Scheiße.“
Beide nähern sie
sich weiter der Plattform, bis die Menge zu eng steht.
„Da seht ihr es,
das halten diese Monster von dem Friedenspakt! Aber was wird dagegen
unternommen frage ich euch? Nichts! Der Stadtrat schickt Briefe an diese
Monster. BRIEFE!“, brüllt. „Als ob diese Degenerierten lesen könnten! Glaubt
ihr tatsächlich diese Bestien könnte man damit aufhalten? Erst Mott, dann
Tesis, danach Kleinfeld und nun Tiefenbrug! Welche Stadt kommt als Nächstes
frage ich euch? Wie lange wird es dauern bis …“
„Woher weiß
dieser Bastard von Tiefenbrug? Ich hab diese Information gerade erst vom
Erzmagier bekommen. Nur der Stadtrat, der Zirkel und die Wächter wissen davon“,
flüstert er Catherine zu.
„Solche
Informationen verbreiten sich leider wie ein Lauffeuer, vielleicht hat ein
Diener davon Wind bekommen. Wir müssen die Wächter informieren, ansonsten
entsteht noch ein Aufruhr.“
Er hält sie am
Arm fest. „Zu spät, sie wissen bereits davon.“ Er nickt in Richtung einer
kleinen Gruppe von gerüsteten Männern, die das Wappen der Wächter tragen. Zwei
von ihnen recken ihre Fäuste in die Höhe und der Rest brüllt mit der Menge.
„Nein, das kann
nicht sein …“, der Schock sitzt tief in ihr.
„Wir müssen uns
wohl etwas anders überlegen“, sagt Samarus und sieht sich weiter um.
„Sie sind doch
bereits unter uns!“, brüllt ein weiterer Mann, während er sich auf die Bühne
hochzieht.
„Was? Was meint
ihr?“, wundert sich der Redner.
„Diese
Teufelsbrut nutzt verbotene Magie um ihre Gestalt zu ändern. Diese Kreaturen
sind längst unter uns! Sie haben sich unter uns gemischt, um uns zu
manipulieren, um Leid und Krankheiten zu verbreiten. Sie lassen uns für sie
schuften und beuten uns aus!“
Die Menge hält
geschockt den Atem an. Der neue Redner hält inne und strafft erst einmal sein
Talar, er wirkt wie ein Priester.
„Verflucht, das
wird ja immer besser. Wir müssen sie zum Schweigen bringen …“, Samarus stockt.
Verwirrt sieht er sich um. „Irgendwas stimmt nicht.“
Der Redner fährt
fort: „Aber nicht mit uns! Wir halten sie auf! Wir lassen uns nicht hinters
Licht führen! Denn wir wissen wer sie sind!“, dramatisch zieht der Mann ein
Stück Pergament aus seiner Tasche. „Ja wir wissen wer sie sind. Wir haben die
Namen von jeden Einzelnen dieser Teufel!“
Verwirrt starrt
Catherine das Pergament an. „Was? Das ist unmöglich. Es gibt keine Liste, es
kann keine Liste geben, woher sollten …“
„Thomas
Mühlstein! Sophie Strein! Anna Kranz! ...“
Catherines Korb
fällt zu Boden. „Nein.“ Ihr Körper zittert am ganzen Leib. „Nein, das kann
nicht sein.“ Ihre Worte sind nicht mehr als ein Flüstern.
„… Markus Sind,
Theodor Asmuth …“
Vollkommen
panisch versucht sie sich nach vorne durchzudrängeln, ehe sie von Samarus
zurückgezogen wird.
„Was tust du?
Lass mich los!“, kreischt sie ihn an.
„Das ist eine
Falle!“
„Was?“
„Das ist alles
inszeniert. Sieh dich doch um!“ Unauffällig zeigt er auf eine Gruppe außerhalb
der Menge. Ruppige Männer und Frauen in Lederrüstungen. Sie tragen mit Runen
verzierte Waffen, die wie Zähne wirken, Drachenzähne.
„Drachenjäger“,
flüstert sie während er auf die anderen Gruppen zeigt.
„… Theresas
Minne, Olivia Stein …“, redet der Mann auf der Bühne weiter.
Insgesamt sind
es fünf lose Gruppen alleine in ihrem Sichtfeld. Zwei davon sind in der Menge
und feuern die Meute weiter an.
„Außerdem weiß
ich jetzt was hier nicht stimmt. Du kannst dich doch auch nur schwer auf was
anderes konzentrieren oder?“
„… Ernst Zimmer,
Kasus Imbruch ...“
„Ich verstehe
nicht ganz … Ja! Ja du hast recht.“
„Irgendwer nutzt
hier subtile Schattenmagie um Ablenkungen zu verhindern.“
„Dann müssen wir diesen Magier finden und den
Zauber unterbrechen!“
„Zu spät, die
Menge steht kurz vor einem Ausbruch.“
Und tatsächlich
werden die Leute um sie herum immer wilder. Sie brüllen ihren Hass gegen die
Drachen aus vollem Halse heraus. Keiner ruft mehr nach Mäßigung.
„Aber …“
„… Karolin
Pfeil, Diamedes und Valera Trint, Franz Küstel …“
„Diamedes und
Valera? Trint? Nein. Nein, das hat er gerade nicht gesagt. Bitte, das hat er
grad nicht gesagt?“, Verzweiflung packt sie.
„Wir müssen zu
ihnen.“, hektisch sieht er sich um, „wir müssen zu ihnen, bevor es der Mob
schafft.“ Er packt sie und zieht sie mit sich, raus aus der Menge.
Weg von der Menschenmenge werden die Wege immer freier
und Catherine immer schneller. Sie wird so schnell, dass Samarus schon bald
weit zurückfällt.
Schneller als eine Raubkatze, verdammt ich
verlier sie. Notgedrungen nutzt er seine eigenen Fähigkeiten. Mit jedem
Schritt überwindet er eine weitere Strecke. Erst vier, dann acht, dann zwölf
und zu guter Letzt befindet er sich nach jedem neuen Schritt über siebzehn Fuß
weiter entfernt.
Erstaunt sieht
sie zur Seite. „Wie machst du das?“
„Schatten- …“,
er verschwindet, „… -schritt“, und taucht wieder auf, „Kurz …“, Schatten hüllen
ihn ein, „… Distanz …“, seine Adern sind pechschwarz, „… Teleportation.“
„Kannst du nicht
…?“
„Nein.“
Und sie
versteht.
Ich kann uns nicht direkt zu ihnen
teleportieren. Schon diese kleinen Distanzen brennen mir regelrecht das Wasser
aus den Adern. Kurz nachdem sie die Portalbögen durchquert haben, die die
einzelnen Stadtteile voneinander trennen, entdecken sie die Ersten.
Leichen, halb verbrannte Leichen.
Überall liegen
zerstörte Wagen und verbrannte Kleidungsfetzen.
„Scheiße, hier
war dieses Aufwieglerpack sogar noch früher“, flucht Catherine.
Wie ich es mir
gedacht hatte. Sie müssen auf allen Plätzen in der Stadt ihre Leute verteilt
haben. „Ja“, gibt er kurzatmig zurück. Verdammt,
sie wird sogar noch schneller.
Als sie auf den
Hauptplatz der Nordstadt kommen, bricht um sie herum das Chaos aus. Überall
rennen Menschen panisch davon, während andere mit wutverzerrten Gesichtern und
improvisierten Waffen auf die Jagd gehen. Ein kurzer Blick über den Platz und
Samarus entdeckt in einer Seitengasse einen Drachen, der eine ganze Gruppe von
Menschen in Flammen steckt, ehe er von einigen Speeren getroffen zu Boden geht.
Die Überlebenden stürzen sich auf ihn.
Fuck.
Catherine
erreicht als Erste die Prachtstraße, in der das bescheide Haus der Trints
steht. In der Straße herrscht das Chaos, überall rennen Menschen herum. Mehrere
Häuser in der Nähe haben bereits Feuer gefangen. Rauch blockiert die Sicht.
Gerade als sie eine Frau aus den Weg stößt entdeckt Catherine sie:
Valera und
Diamedes werden aus ihrem Haus gezerrt. Diamedes versucht die drei Männer, die
ihn gepackt haben, abzuschütteln, während in diesem Moment ein in Lumpen
gehüllter Mann eine Sichel zieht und Valera mit einer schnellen Bewegung die
Kehle durchschneidet.
„V, Val?“,
Catherine kommt abrupt zum Stehen.
Endlich holt
Samarus sie wieder ein und muss mit ansehen wie Valera zu Boden sackt, ihr Kopf
unnatürlich wippend. Zu spät …
Diamedes starrt
voller Unglauben seine eigene Frau an und noch ehe die Erkenntnis über seine
Gesichtszüge brandet, fangen bereits die Männer, die ihn eben noch festgehalten
haben, an zu brennen. Schneller als Samarus es jemals beobachtet hat verwandelt
sich Diamedes in seine wahre Gestalt. Vermutlich hätte er in diesem Moment
gebrüllt, aber er hat bereits sein Maul in einen der Mörder seiner Frau
geschlagen und während er diesen in Fetzen reißt, zertrümmert Diamedes einen
der hinzueilenden Drachenjägern mit seinem Schwanz den Schädel samt Helm.
Doch die
routinierten Drachenjäger fassen sich schnell und der erste hat bereits seine
mit Runen verstärkte Lanze in die Flanke von Diamedes gerammt.
Mit weit
aufgerissenen Augen beobachtet Samarus diesen Kampf. Er hat keine Chance, es sind zu viele, viel zu viele.
Es kommen immer
mehr dieser gerüsteten Krieger aus den umliegenden Gassen gestürmt.
Eine gewaltige
Hitzewoge trifft ihn von der Seite. Catherine ist in Flammen gehüllt. Ihr
wutverzerrtes Gesicht offenbart mehrere Reihen messerscharfe Zähne, als sie ein
brutales Brüllen von sich gibt.
„Nein. Nein, das
sind zu viele!“, verzweifelt versucht er sie festzuhalten. Seine Haut schlägt
Blasen sobald er sie berührt, aber trotzdem hält er sie mit all seiner Kraft
fest. „Das sind zu viele!“, brüllt er in ihr Ohr.
„Lass mich
los!“, schreit ihn Catherine an, abgrundtiefer Hass steht ihr ins Gesicht. Sie
windet sich in seinen Armen, während er sie zu Boden wirft und schnell mehrere
Schattenfesseln wirkt, um sie aufzuhalten.
In diesem Moment
trifft Diamedes die zweite Lanze, sein schmerzverzerrtes Brüllen erschüttert
die Häuser.
„Nein!“ Sie
windet sich immer weiter während Samarus verzweifelt mehrere Zeichen in den
Boden schreibt.
„Hör auf, ich
muss zu ihm!“
„Es tut mir
Leid“, entschuldigt sich Samarus vollkommen außer Atem. „Es tut mir so leid.“
„Dia!“
Das letzte Zeichen ist fertig und in dem
Moment, als die Welt um sie herum zerreißt um sich vollkommen neu wieder
aufzubauen, wird Diamedes von der letzten Lanze in die Kehle getroffen.
Verzweifelt
schluchzt Catherine: „Didi …“
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