Seht sie euch an.
Keinen von ihnen kümmert es.
Wütend starrt er
die Menschen an, die an ihm vorbei gehen.
Als hätten sie nicht vor einem Monat ihre
Mitmenschen gnadenlos abgeschlachtet. Als hätte es diese Nacht niemals gegeben.
Aber es gab sie! Ich habe es mitansehen müssen! Ich habe gesehen wie ihr sie
aus ihren Häusern geschleift und abgeschlachtet habt und noch heute sehe ich
verbrannte Wände und eingeschlagene Türen. Ich sehe das eingetrocknete Blut auf
den Straßen, was sich einfach nicht entfernen lässt. Aber ihr ignoriert es. Ihr
trauert nur um die armen Menschen, die starben als sich die Drachen
verteidigten.
Er schüttelt
seinen Kopf, während er über die Brücke in Richtung Prachtstraße wandert.
Der Rat versucht das, was in dieser Nacht
geschehen ist herunterzuspielen. Es wären Einzelfälle gewesen. Aber wurde
jemand selbst für diese Einzelfälle bestraft? Nein, Niemand. Keine Anklagen,
nichts. Keine Fragen wo die Wächter waren, wo der Zirkel war.
Wütend ballt er
seine Hand zur Faust. Erst als er das Haus seiner Freunde erreicht, verlässt
ihn jede Wut und macht Platz für sein Bedauern. Niedergeschlagen betrachtet er
das halb zerstörte Gebäude.
Valera, Diamedes. Meine Freunde. Ich habe
versagt. Ich hätte euch schützen sollen. Ich hätte angreifen sollen. Aber,
er hält inne, ich konnte es nicht.
Während er sich
eine Träne aus den Augen wischt, steckt er eine neue Blume in die Vase, die er
vor zwei Wochen dort entdeckt hat. Neben seiner steckt dort immer noch eine
weitere Tulpe, Valeras Lieblingspflanzen.
Ob Catherine die Vase aufgestellt hat?
Vermutlich, wer würde sonst um sie trauern? Aber ich traue mich nicht sie zu
fragen …
Betrübt geht er
wieder zurück auf die Brücke und schaut runter in das tiefblaue Wasser des
Flusses unter ihm.
Ich begreife einfach nicht, wie sich alles
so schnell nach Leviatans Tod verändern konnte. Alles ist zusammengebrochen.
Ein Krieg ist nur noch eine Frage von Tagen. Gott bin ich froh, dass Misa
diesen Kerl kennen gelernt hat. Was hatte sie geschrieben war er? Ein Dichter?
Ja, glaube ich zumindest. Naja, besser als nichts. Er hat es wenigstens
geschafft sie von ihren Umzugsplänen abzulenken. So musste sie das alles nicht
mit ansehen. In Grauwald ist sie sicher. So weit im Hinterland wird es keine
Angriffe geben.
Er dreht sich
wieder um und blickt auf die Menschen, die wie gewohnt ihrem Tagewerk
nachgehen.
Aber hier? Es wird bald zu Angriffen kommen.
Die Leute glauben zwar die Wächter würden den Krieg weit von ihnen fernhalten,
aber sie unterschätzen alle die Drachen. Sie werden diese Stadt erreichen und
dann gibt es ein Massaker.
Während er weiter seinen düsteren Gedanken folgt,
beobachtet er wie ein kleiner Junge an ihm vorbei rennt. Seine Kleidung ist
zerrissen und verdreckt.
Ein Straßenjunge, aber was hat er da in der
Hand? Eine Tulpe?
Verwundert stößt
er sich ab und folgt dem Jungen. Dieser bleibt erst stehen, als er das Haus von
Diamedes erreicht. Nur kurz betrachtet er die neue Tulpe in der Vase, ehe er
die andere gegen seine austauscht.
Von diesem Jungen kommt die Vase? Einem
Menschen?
Vorsichtig geht
er näher heran, den Hall seiner Schritte durch Schattenmagie verschleiert. Als
er nahe genug dran steht, versteht er sein Gemurmel.
„… nicht mehr
aufstehen, um zu euch zu kommen. Aber dafür bin ich ja da. Mama vermisst euch.
Nicht nur weil ihr ihr immer mit ihrem Rücken geholfen habt, sondern weil sie
sich so gerne mit dir unterhalten hat Tante Val. Sie sagt mir immer noch nicht,
warum ihr gehen musstest. Ich wünschte ich wüsste es. Ich vermisse euch und
ganz besonders deine Plätzchen Onkel Dia. Ich …“
Mit Tränen in
den Augen wendet sich Samarus ab. Vielleicht
habe ich mich doch geirrt …
Auf dem Weg zurück ins Magierviertel entdeckt er ein
bekanntes Gesicht.
Ist das nicht? Ja, es ist zwar schon ein
paar Jahre her, aber diese Hackfresse würd ich immer wieder erkennen. Rotbusch
… Nein Moment, das war mein Spitzname für meine Ex. Rotbuch! Genau, das war es.
Er hat von sich behauptet er wäre ein Drachenjäger. War er auch an der
Pogromnacht beteiligt?
Wütend starrt er
ihn in der Menge an. Seine Adern werden langsam, aber stetig von Finsternis
durchzogen.
Sekunde, wer sind die Männer bei ihm? Er redet
mit dem einen als wäre es sein Boss oder so. Das könnte interessant werden.
Vorsichtig
beobachtet er die Männer und als sie sich in Richtung der Oststadt aufmachen,
folgt er ihnen.
Dank der Menschenmenge kann er ihnen mühelos unbemerkt
folgen, bis sie einen alten Irrgarten betreten. An den Eingängen stehen in
Leder und Kette gehüllte Wachen.
Mh, eine geschlossene Gesellschaft für
Drachenjäger? Das sollte weniger ein Problem für mich sein.
Gelassen wandert
er am Rand des Gartens vorbei und als Niemand in seine Richtung blickt, ist er
auf einmal verschwunden. Einen Bruchteil von einer Sekunde später taucht er
oben auf der mit Steinen verstärkten Hecke auf und sofort springt er auf der
anderen Seite nach unten.
Das war leicht. Jetzt muss ich sie nur noch
wiederfinden. Vielleicht hätte ich mir oben kurz den richtigen Weg einprägen
sollen …
Vorsichtig
schleicht er durch die Gänge des Irrgartens. An jeder Ecke hält er inne und
lugt kurz herum. Nach der zwanzigsten Ecke gibt er entnervt auf.
Verdammt nochmal. Ich glaube ich sollte noch
einmal kurz hochgehen um zu sehen wo ich genau bin. Scheiß drauf, ob mich einer
sehen könnte.
Genau in diesem
Moment wird er unterbrochen. „Hey was treibst du denn da?“
Verfickte … Schnell dreht er sich um. An
der nächsten Ecke steht ein alter gerüsteter Mann, der ihn mit
zusammengekniffenen Augen ansieht.
Langsam kommt
der Mann näher, dabei sucht er was in seinen Taschen. „Kenne ich dich?
Verdammt, wo ist sie denn?“
Schnell schaltet
Samarus und verstellt seine Stimme mit ein wenig Schattenmagie: „Was? Na klar
kennst du mich. Ich bin es, Stoll“, lügt er. „Hast du wieder deine Brille
verloren? Das kommt davon wenn du sie immer abnimmst. Deine Eitelkeit wird dich
noch einmal umbringen Väterchen.“
„Nenn mich
gefälligst nicht Väterchen, du kleines Balg“, antwortet er wütend. „Ich könnte
schwören ich hatte sie in dieser Tasche …“
Samarus grinst. Ja, da war sie bis vor wenigen Sekunden auch
noch. Im Augenwinkel beobachtet er, wie ganz langsam eine Brille, an
hauchdünnen Fäden gezogen, ins Gebüsch wandert.
Der Mann kneift
wieder seine Augen zusammen. „Sag mal trägst du keine Rüstung?“
„Naja, du weißt
doch wie scheiße schwer die ist. Ich musst halt mal derbe Kacken und damit ich
nicht dabei nach hinten umkippe, naja, hab ich sie halt ausgezogen.“
Angewidert
verzieht der Alte das Gesicht. „So genau wollte ich es jetzt auch nicht wissen,
du Schwächling. Früher mussten wir in unseren Rüstungen leben, kämpfen, töten,
kacken und vögeln! Nicht so wie ihr Grünschnäbel.“
„Vögeln? Sag
doch nicht wir, wenn du von anderen sprichst.“
„Fick dich,
Kleiner. Außerdem, warum erledigst du hier dein Geschäft, anstatt am Treffen
teilzunehmen? Hättest du das nicht im Gasthaus machen können?“
„Du solltest
doch am besten wissen, man kann das halt nicht immer kontrollieren.“
„Ich gib dir
gleich eine!“, antwortet der Mann wütend.
„Beruhig dich“,
beschwichtigend ihn Samarus und hebt die Hände, „sag mir lieber in welcher
Richtung das Treffen stattfindet. Der Garten hier ist ja ein einziger
Irrgarten.“
Der Alte
schüttelt seinen Kopf und zeigt in Samarus Richtung. „Geh den Weg entlang, dann
die zweite Abzweigung nach links, die nächste nach rechts und dann die dritte
nach Links. Hat dein Spatzenhirn es geschafft sich das zu merken?“
„Jaja, sind ja
noch nicht alle so senil wie du. Such du mal lieber deine Brille und pass auf,
nicht in meinen Haufen reinzutreten.
Angewidert dreht
sich der Mann um und geht.
Breit grinsend
folgt er den Anweisungen des alten Mannes. Na
das hat ja besser geklappt, als ich erwartet hatte. So, hier findet also ein
Treffen statt.
Einige Minuten später erreicht er die Mitte des
Irrgartens. Keine zwanzig Fuß entfernt sieht er eine Gruppe von Drachenjägern,
die sich mit einem kleinen Mann in Dieneruniform unterhält.
Ist das nicht Ladest Enat? Er arbeitet doch
für Kubrat? Verdammt, ich muss näher ran.
Vorsichtig duckt
er sich und schleicht hinter einen Baum. Dort angekommen versteht er endlich
worüber die Männer reden …
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