Montag, 11. März 2013

DK 11 Ein Morgen in der Stadt


Seht sie euch an. Keinen von ihnen kümmert es.
   Wütend starrt er die Menschen an, die an ihm vorbei gehen.
   Als hätten sie nicht vor einem Monat ihre Mitmenschen gnadenlos abgeschlachtet. Als hätte es diese Nacht niemals gegeben. Aber es gab sie! Ich habe es mitansehen müssen! Ich habe gesehen wie ihr sie aus ihren Häusern geschleift und abgeschlachtet habt und noch heute sehe ich verbrannte Wände und eingeschlagene Türen. Ich sehe das eingetrocknete Blut auf den Straßen, was sich einfach nicht entfernen lässt. Aber ihr ignoriert es. Ihr trauert nur um die armen Menschen, die starben als sich die Drachen verteidigten.

   Er schüttelt seinen Kopf, während er über die Brücke in Richtung Prachtstraße wandert.
   Der Rat versucht das, was in dieser Nacht geschehen ist herunterzuspielen. Es wären Einzelfälle gewesen. Aber wurde jemand selbst für diese Einzelfälle bestraft? Nein, Niemand. Keine Anklagen, nichts. Keine Fragen wo die Wächter waren, wo der Zirkel war.
   Wütend ballt er seine Hand zur Faust. Erst als er das Haus seiner Freunde erreicht, verlässt ihn jede Wut und macht Platz für sein Bedauern. Niedergeschlagen betrachtet er das halb zerstörte Gebäude.
   Valera, Diamedes. Meine Freunde. Ich habe versagt. Ich hätte euch schützen sollen. Ich hätte angreifen sollen. Aber, er hält inne, ich konnte es nicht.
   Während er sich eine Träne aus den Augen wischt, steckt er eine neue Blume in die Vase, die er vor zwei Wochen dort entdeckt hat. Neben seiner steckt dort immer noch eine weitere Tulpe, Valeras Lieblingspflanzen.
   Ob Catherine die Vase aufgestellt hat? Vermutlich, wer würde sonst um sie trauern? Aber ich traue mich nicht sie zu fragen …
   Betrübt geht er wieder zurück auf die Brücke und schaut runter in das tiefblaue Wasser des Flusses unter ihm.
   Ich begreife einfach nicht, wie sich alles so schnell nach Leviatans Tod verändern konnte. Alles ist zusammengebrochen. Ein Krieg ist nur noch eine Frage von Tagen. Gott bin ich froh, dass Misa diesen Kerl kennen gelernt hat. Was hatte sie geschrieben war er? Ein Dichter? Ja, glaube ich zumindest. Naja, besser als nichts. Er hat es wenigstens geschafft sie von ihren Umzugsplänen abzulenken. So musste sie das alles nicht mit ansehen. In Grauwald ist sie sicher. So weit im Hinterland wird es keine Angriffe geben.
   Er dreht sich wieder um und blickt auf die Menschen, die wie gewohnt ihrem Tagewerk nachgehen.
   Aber hier? Es wird bald zu Angriffen kommen. Die Leute glauben zwar die Wächter würden den Krieg weit von ihnen fernhalten, aber sie unterschätzen alle die Drachen. Sie werden diese Stadt erreichen und dann gibt es ein Massaker.

Während er weiter seinen düsteren Gedanken folgt, beobachtet er wie ein kleiner Junge an ihm vorbei rennt. Seine Kleidung ist zerrissen und verdreckt.
   Ein Straßenjunge, aber was hat er da in der Hand? Eine Tulpe?
   Verwundert stößt er sich ab und folgt dem Jungen. Dieser bleibt erst stehen, als er das Haus von Diamedes erreicht. Nur kurz betrachtet er die neue Tulpe in der Vase, ehe er die andere gegen seine austauscht.
   Von diesem Jungen kommt die Vase? Einem Menschen?
   Vorsichtig geht er näher heran, den Hall seiner Schritte durch Schattenmagie verschleiert. Als er nahe genug dran steht, versteht er sein Gemurmel.
   „… nicht mehr aufstehen, um zu euch zu kommen. Aber dafür bin ich ja da. Mama vermisst euch. Nicht nur weil ihr ihr immer mit ihrem Rücken geholfen habt, sondern weil sie sich so gerne mit dir unterhalten hat Tante Val. Sie sagt mir immer noch nicht, warum ihr gehen musstest. Ich wünschte ich wüsste es. Ich vermisse euch und ganz besonders deine Plätzchen Onkel Dia. Ich …“
   Mit Tränen in den Augen wendet sich Samarus ab. Vielleicht habe ich mich doch geirrt …

Auf dem Weg zurück ins Magierviertel entdeckt er ein bekanntes Gesicht.
   Ist das nicht? Ja, es ist zwar schon ein paar Jahre her, aber diese Hackfresse würd ich immer wieder erkennen. Rotbusch … Nein Moment, das war mein Spitzname für meine Ex. Rotbuch! Genau, das war es. Er hat von sich behauptet er wäre ein Drachenjäger. War er auch an der Pogromnacht beteiligt?
   Wütend starrt er ihn in der Menge an. Seine Adern werden langsam, aber stetig von Finsternis durchzogen.
   Sekunde, wer sind die Männer bei ihm? Er redet mit dem einen als wäre es sein Boss oder so. Das könnte interessant werden.
   Vorsichtig beobachtet er die Männer und als sie sich in Richtung der Oststadt aufmachen, folgt er ihnen.

Dank der Menschenmenge kann er ihnen mühelos unbemerkt folgen, bis sie einen alten Irrgarten betreten. An den Eingängen stehen in Leder und Kette gehüllte Wachen.
   Mh, eine geschlossene Gesellschaft für Drachenjäger? Das sollte weniger ein Problem für mich sein.
   Gelassen wandert er am Rand des Gartens vorbei und als Niemand in seine Richtung blickt, ist er auf einmal verschwunden. Einen Bruchteil von einer Sekunde später taucht er oben auf der mit Steinen verstärkten Hecke auf und sofort springt er auf der anderen Seite nach unten.
   Das war leicht. Jetzt muss ich sie nur noch wiederfinden. Vielleicht hätte ich mir oben kurz den richtigen Weg einprägen sollen …
   Vorsichtig schleicht er durch die Gänge des Irrgartens. An jeder Ecke hält er inne und lugt kurz herum. Nach der zwanzigsten Ecke gibt er entnervt auf.
   Verdammt nochmal. Ich glaube ich sollte noch einmal kurz hochgehen um zu sehen wo ich genau bin. Scheiß drauf, ob mich einer sehen könnte.
   Genau in diesem Moment wird er unterbrochen. „Hey was treibst du denn da?“
   Verfickte … Schnell dreht er sich um. An der nächsten Ecke steht ein alter gerüsteter Mann, der ihn mit zusammengekniffenen Augen ansieht.
   Langsam kommt der Mann näher, dabei sucht er was in seinen Taschen. „Kenne ich dich? Verdammt, wo ist sie denn?“
   Schnell schaltet Samarus und verstellt seine Stimme mit ein wenig Schattenmagie: „Was? Na klar kennst du mich. Ich bin es, Stoll“, lügt er. „Hast du wieder deine Brille verloren? Das kommt davon wenn du sie immer abnimmst. Deine Eitelkeit wird dich noch einmal umbringen Väterchen.“
   „Nenn mich gefälligst nicht Väterchen, du kleines Balg“, antwortet er wütend. „Ich könnte schwören ich hatte sie in dieser Tasche …“
   Samarus grinst. Ja, da war sie bis vor wenigen Sekunden auch noch. Im Augenwinkel beobachtet er, wie ganz langsam eine Brille, an hauchdünnen Fäden gezogen, ins Gebüsch wandert.
   Der Mann kneift wieder seine Augen zusammen. „Sag mal trägst du keine Rüstung?“
   „Naja, du weißt doch wie scheiße schwer die ist. Ich musst halt mal derbe Kacken und damit ich nicht dabei nach hinten umkippe, naja, hab ich sie halt ausgezogen.“
   Angewidert verzieht der Alte das Gesicht. „So genau wollte ich es jetzt auch nicht wissen, du Schwächling. Früher mussten wir in unseren Rüstungen leben, kämpfen, töten, kacken und vögeln! Nicht so wie ihr Grünschnäbel.“
   „Vögeln? Sag doch nicht wir, wenn du von anderen sprichst.“
   „Fick dich, Kleiner. Außerdem, warum erledigst du hier dein Geschäft, anstatt am Treffen teilzunehmen? Hättest du das nicht im Gasthaus machen können?“
   „Du solltest doch am besten wissen, man kann das halt nicht immer kontrollieren.“
   „Ich gib dir gleich eine!“, antwortet der Mann wütend.
   „Beruhig dich“, beschwichtigend ihn Samarus und hebt die Hände, „sag mir lieber in welcher Richtung das Treffen stattfindet. Der Garten hier ist ja ein einziger Irrgarten.“
   Der Alte schüttelt seinen Kopf und zeigt in Samarus Richtung. „Geh den Weg entlang, dann die zweite Abzweigung nach links, die nächste nach rechts und dann die dritte nach Links. Hat dein Spatzenhirn es geschafft sich das zu merken?“
   „Jaja, sind ja noch nicht alle so senil wie du. Such du mal lieber deine Brille und pass auf, nicht in meinen Haufen reinzutreten.
   Angewidert dreht sich der Mann um und geht.
   Breit grinsend folgt er den Anweisungen des alten Mannes. Na das hat ja besser geklappt, als ich erwartet hatte. So, hier findet also ein Treffen statt.

Einige Minuten später erreicht er die Mitte des Irrgartens. Keine zwanzig Fuß entfernt sieht er eine Gruppe von Drachenjägern, die sich mit einem kleinen Mann in Dieneruniform unterhält.
   Ist das nicht Ladest Enat? Er arbeitet doch für Kubrat? Verdammt, ich muss näher ran.
   Vorsichtig duckt er sich und schleicht hinter einen Baum. Dort angekommen versteht er endlich worüber die Männer reden …

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