Nicht schon wieder.
Resigniert beobachtet Eisenfunk wie sich sein Kamerad zum dritten Mal seit
Ablegen lautstark übergibt.
Dieser Name ist
natürlich nicht der, mit dem er geboren wurde, aber es war der Name, dem man
ihm nach der Grundausbildung gab. Selbstverständlich hat er niemanden jemals
gesagt, dass er diesen Namen nur deswegen bekam, weil er es nie schaffte die
ungeschützten Bereiche zu treffen und nur wie ein Blöder auf Stahl einschlug.
Nein, wann immer man ihn fragt, woher er diesen Namen habe, sagt er, er war
früher einmal Schmied. Dank seiner breiten Schultern und den Fäusten die breit
wie Bratpfannen sind, wundert sich auch niemand über die Antwort oder traut
sich einfach nicht noch einmal nachzufragen. So oder so ist ihm das recht.
„Gott, du hast
mich zwar gewarnt, du wärst nicht seefest. Aber das es so heftig ist?
Verflucht, wir sind keine vier Glockenschläge unterwegs und du hast bereits
Frühstück und Mittagessen ausgekotzt.“
Noch leicht
würgend zieht sich sein Kamerad von der Reling zurück und starrt ihn mit trüben Augen an.
„Fick dich
Eisen, fick dich.“
Wäre es ein
Anderer, der diese Worte spräche, würd er vermutlich bereits auf halben Wege in
Richtung Hölle sein, aber nach fünfzehn Jahren voller Kämpfe in den
unterschiedlichsten Kriegen, müsste schon mehr kommen um ihre Freundschaft zu
stören. Stattdessen lacht Eisenfunk nur lauthals.
„Ich mein das
ernst Kopflos. Die Wasserpisser behaupten wir ham noch locker zwei Tage Fahrt
vor uns und du siehst jetzt schon aus als hätt dich nen Rudel Drachen
bestiegen.“
Kopflos, diesen
Namen hat er sich in den Dämmerkriegen verdient. Mit seinen neu gewonnen Kumpel
Eisenfunk und dem Rest seiner Kompanie hat er sich vor der ersten Schlacht so
zugeschüttet, er hat vor dem Beginn des Kampfes das Herunterfallen eines Helmes
mit dem Angriffsbefehl verwechselt und ist prompt mitten in die feindlichen
Reihen gestürmt. Sein überleben war ein reines Wunder. Kopflos und Eisenfunk,
zwei Veteranen der Dämmerkriege und noch einigen Scharmützeln und Kämpfen
danach und doch ist heute das erste Mal auf See für Beide. Der Eine breit wie
ein Schrank und ebenso hoch und der andere nur halb so groß, aber fast genauso
breit.
Kopflos Augen
weiten sich kurz, als er zum ersten Mal hört wie lang die Reise noch gehen
soll, aber er fängt sich schnell. „Pah, als ob mich so nen Flüsschen klein
kriegen kann. Eher ersäuf ich es in meiner Kotze. Kümmer dich lieber um deine
Luise. Die Arme sieht aus als hättest du sie ertränkt.“
Eisenfunk sieht
kurz nach unten. Neben seinem Knie lehnt die schwere Armbrust, der er den Namen
einer seiner Exfrauen gegeben hat.
Genauso fett wie das Original und wenn sie
zuschlägt hauts selbst den dicksten Drachen aus den Latschen.
„Das kommt von
dieser elenden Pisse in der Luft. Bin selber schon vollkommen durchgeweicht.“
„Dann verstau se
halt endlich mal.“
„Genau und wenn
die Drachen angeschnattert kommen wedle ich solange mit den Pfoten bis sie
panisch davon flitzen oder was?“
„Du glaubst doch
nicht wirklich, die greifen uns hier an, oder? So bescheuert können selbst die
Drachen nicht sein. Wir ham hundertachtzig Magier auf unseren Schiffen und
unter uns is nen verdammtes Meer. Wenn die uns zu nahe kommen fallen die wie
die Fliegen.“
Eisenfunk
schnaubt zur Antwort. „Als ob dieses Feiglingspack uns helfen wird. Ich hab die
Hauptmänner doch quasseln gehört. Die Hälfte der Hohemagier hat sich verpisst
und der Rest machts denen doch garantiert nach. Angeblich sucht der Erzmagier
nach den Verrätern. Ha! Wers glaubt. Zum Glück haben wir keine von diesen
Ratten am Bord.“
„Mh, ich hätt
nichts gegen nen Magier. Der könnt uns zumindest warnen wenn was angeschnattert
kommt.“
„Ach so wie sie
Blaukiefer gewarnt haben?“, wütend spuckt er aus. „Diese blinden Ratten hams ja
nicht einmal geschafft eine komplette Invasionsflotte zu bemerken. Als ob die
uns warnen könnten.“
Kopflos rutscht
unruhig hin und her. „Du hast noch nichts von deinem Bruder gehört?“
„Nein.“
Und damit hat
sich das Thema erledigt.
Die erste Invasion der Drachen begann vor zwanzig Tagen.
Eine gewaltige Streitkraft hatte es geschafft die weitreichenden Überwachungen
des Zirkels zu umgehen und hatte damit begonnen eine Stadt im Hinterland nach
der anderen auszulöschen. Es hat fast anderthalb Tage gedauert, bis die Truppen
formiert und vor Ort waren um sich den Drachen zu stellen. Es begann eine
blutige Schlacht in der knapp ein Drittel der Infanterie niedergemetzelt wurde.
Darunter auch fast die gesamte Kompanie und viele weitere Kameraden der Beiden.
Erst das viel zu späte Eingreifen des Zirkels hat für den Rückzug der Drachen
gesorgt. Doch zu diesem Zeitpunkt war es bereits viel zu spät. Sieben Städte
und neunzehn kleinere Dörfer wurden vollständig vernichtet. Der Militärrat hat
resigniert beschlossen anstatt die Angehörigen der Opfer zu benachrichtigen,
lieber nur die Angehörigen der Überlebenden zu benachrichtigen, das war weniger
Aufwand …
Nach diesem
Ereignis wurden die Invasionspläne noch schneller vorangetrieben. Die bereits
versammelten Schiffe wurden mit Soldaten und Kriegsgerät beladen und nach
siebzehn Tagen stach etwa die Hälfte der Armee von Steinhafen und den
umliegenden Städten in See. Insgesamt fast dreitausend Schiffe und
fünftzigtausend Soldaten. Ihr Ziel ist es auf der gegenüberliegenden Landseite
Fuß zu fassen und eine Portalstrecke aufzubauen um die restlichen Teile der
Armee vor Ort zu bringen. Zusammen würden sie den Drachenhort angreifen und den
Krieg ein für alle Mal beenden. So war zumindest der Plan.
Scheiße ist das
warm. Unruhig wirft sich Eisenfunk von einer Seite auf die Andere. Bin ich in nem Glutofen gelandet?
Schweißgebadet wirft er die Bettdecke zur Seite.
„Kopf, bist du
da?“ Er versucht sich im Dunkeln zurecht zu finden, entdeckt seine Luise und
wirft sie sich über die Schulter, ehe er sich in die Richtung von Kopfloses
Koje aufmacht. Als er sie endlich ertastet hat, greift er ins Leere.
„Verflucht
nochmal, was ist hier los?“ Im Zwielicht des Mondes, das durch ein verdrecktes
Bullauge hindurchscheint, torkelt Eisenfunk in Richtung Kabinentür. Als er sie
erreicht reißt er sie, in freudiger Erwartung auf eine kühle Brise, auf und
wird regelrecht erschlagen von der Hitzewoge, die ihm entgegenweht. Ehe er es
schafft zu Atem zu kommen entdeckt er seinen Kumpel wie er sich wieder einmal
über die Reling hängt.
„Kopf!
Irgendeine Scheiße geht hier ab und dir fällt nichts besser ein als die
verdammten Fische zu füttern?“
„Halts Maul und
komm lieber her.“
Was zum? Verwundert läuft er zu ihm und
beugt sich selber über die Reling. „Scheiße, das Wasser kocht?“
„Ist mir auch
erst vor kurzem aufgefallen. Ich hab mal gehört es gibt riesige Vulkane unter
Wasser. Die sollen das Wasser so richtig aufheizen können. Glaubst du unter uns
is so einer?“
„Mh, ich weiß ja
nicht.“
In diesem Moment
erklingt eine Glocke von einem der hinteren Schiffe. Kurz darauf erschüttert
ein gewaltiges Brüllen die bis noch eben ruhige Nacht. Der Himmel leuchtet auf
und mehrere Feuerbälle stürzen in die Tiefe.
„Drachen! Sie
greifen an!“, ertönt es von überall.
Als ob ich das
selbst nicht gemerkt hätte.
Kopflos macht
seinen Namen alle Ehre und stürmt an seinen Kumpanen vorbei.
„Wo willst du
hin? Die Ziele sind da oben!“, Eisenfunk zeigt in den Himmel.
Nur kurz bleibt
Kopflos vor der Kajüte stehen, ehe er die Tür aufreißt und reinrennt. Dabei
ruft er schnell: „Meine Armbrust hohlen verflucht nochmal.“
Von der Ironie
gepackt fängt Eisenfunk an laut zu lachen, bis eins der Geschosse mit Getöse
knapp neben dem Rumpf des Schiffes einschlägt und eine gewaltige Woge aus Dampf
und Gischt übers Deck jagt. Noch halb erblindet greift er nach Luise und lädt
sie routiniert durch. In dem Moment als sich die Gischtwolke endlich verzogen
hat, sieht er zum ersten Mal die waren Ausmaße des Angriffes.
Die Luft ist
voll von Drachen, zwar halten sie sich alle so weit oben wie möglich, aber das
hindert sie nicht daran, aus vollem Hals heraus, Feuer gehn Erde zu speien.
Unten wiederum herrscht reger Betrieb auf den anderen Schiffen. Überall rennen
Matrosen rum und versuchen die Schiffe auf Fahrt zu bringen um den Geschossen
auszuweichen. Dabei laden Soldaten ihre Armbrüste und Bögen durch und feuern
auf die wenigen Drachen, die sich tief genug runter trauen. Nur die großen
Hauptschiffe rühren sich nicht. Kein Wunder, selbst wenn sie es wollten, sie
wären sowieso zu langsam um den Geschossen auszuweichen. Stattdessen entdeckt
Eisenfunk ein Funkeln um den Schiffen herum.
Magier, pah!
In dem Moment
als die Flammengeschosse dem Funkeln zu nahe kommen, leuchtet sie hell auf und
werden in tausende von Bruchstücken zerteilt. Diese Teile wiederum prasseln auf
die umliegenden Schiffe.
Verflucht, diese elenden Bastarde bringen
noch unsere eigenen Leute um.
„Da kommt
einer!“ Als er diese Warnung hört reißt er sich von dem Anblick los, nimmt
Luise in Anschlag und blickt nach oben. Ein gewaltiger Drache stürzt vom Himmel
herab.
Selbstmord was? Na da helfe ich dir doch
gern.
Während er immer
näher und näher kommt reißt die fast fünfzig Fuß lange Bestie ihr Maul auf.
Näher. Schnell wischt er sich den
Schweiß von der Stirn.
Um ihn herum
feuern bereits die ersten Soldaten ihre Bolzen ab, doch auf die Entfernung
kommt nicht einer auch nur in die Nähe des Drachens.
Noch näher. Langsam nimmt er das linke
Auge ins Visier, während sich im Maul der Echse eine Feuerwoge sammelt.
Jetzt. Sanft drückt er den Abzug, Die
Waffe ruckt, ein Strang der Sehne reißt und der Bolzen fliegt schief aus der
Waffe.
Fuck, ich hasse Seefahrten.
In diesem Moment
brüllt der Drache auf und reißt seinen Kopf hin und her. Ein Bolzen ragt aus
seinem linken Auge heraus. Vollkommen panisch begreift er seine Lage viel zu
spät und schafft es nichtmehr das Unvermeidbare zu verhindern. Mit voller Wucht
knallt der Drache auf die Wasseroberfläche. Um Eisenfunk herum rennen die
Soldaten an die Reling und feuern ins Wasser.
Woher?
Als er sich
umdreht entdeckt er Kopflos in der Tür, seine Armbrust noch immer im Anschlag.
„Ich hab dir gesagt du sollst sie verstauen.“
„Ach leck mich.“ Wütend packt er sich die Waffe eines
jungen Rekruten. Ehe der protestieren kann besinnt er sich schnell eines
Besseren und läuft unter Deck, um sich eine der Ersatzwaffen zu besorgen.
„Das sind echt
beschissene Schützen.“
„Ja, sie feuern
viel zu früh. Da trifft doch keiner der Bolzen.“
„Ich red nich
von unsren Leuten.“
„Was?“, verwirrt
sieht Eisenfunk ihn an.
„Die Drachen,
sie speien Feuer wie blöde, aber sie treffen kaum.“
Misstrauisch
beobachtet Eisenfunk die Kämpfe über den Schiffen. „Ham vielleicht nur Schiss.“
In diesem Moment
trifft ein Geschoss die Backbordseite des Schiffes. Die Wucht ist so heftig,
beide Männer verlieren kurz den Kontakt zum Boden, ehe sie sich fangen können.
Zwei andere Soldaten hatten nicht das Glück, die Wucht hat sie über Bord
geschleudert.
„Verfluchte …“
Schnell greift sich Eisenfunk ein paar Taue und schleudert sie den Männern
hinterher.
Vielleicht können sie sie noch greifen.
Gerade als er
sich abwenden wollte, hört er die panischen Schreie. Als er schnell einen Blick
über die Reling wirft, erstarrt er. Beide Männer winden sich schmerzerfüllt im
Wasser. Ihre Arme, die sie verzweifelt in Richtung Schiff erhoben haben, stehen
in Flammen, während sich das Schiff immer weiter von ihnen entfernt.
Das Wasser, das kochende Wasser! Sofort
sieht er Runter auf den Bug des Schiffes. Rauchschwaden steigen auf. Das Schiff brennt?
„Die Bastarde
setzen das Meer in Brand!“
Kopflos starrt
ihn verwirrt an, ehe er begreift. „Sie feuern nicht auf uns, sie feuern aufs
Meer.“
Kurz darauf wird das erste Schiff in Flammen gesteckt.
Von unten herauf fängt es an zu brennen. Panisch versucht die Mannschaft ins
rettende Meer zu springen ehe sie begreift, dies bedeutet ihren Tod.
Scheiße, wir müssen hier weg.
Schnell stürmt er an Kopflos vorbei in
Richtung des Steuermannes. Oben angekommen entdeckt er den Kapitän, der
offensichtlich verrückt geworden ist. Er steuert direkt in Richtung der
Hauptflotte. Als Eisenfunk das bemerkt reißt er ihn herum und brüllt ihn an:
„Was soll die Scheiße, willst du uns grillen? Steuer in die andere Richtung!“
Mit weit
aufgerissenen Augen starrt der Kapitän ihn an. „Das war ein Befehl von den
Admirälen. Sie haben allen Schiffen befohlen sich sofort bei den Hauptschiffen
zu sammeln!“
„Sind die irre?“
„Fuck!“
Beide drehen
sich um und entdecken einen vollkommen durchgeschwitzten Kopflos, der sich
gerade die letzte Stufe hochgequält hat und nun entsetzt nach oben starrt. Die
beiden machen es ihm nach und beobachten wie gerade das Hauptsegel anfängt
Feuer zu fangen.
Es ist so heiß das selbst das durchnässte
Leinen Feuer fängt.
„Wir haben keine
andere Wahl, geht sofort an die Ruder!“, brüllt der Kapitän beide an.
Schnell rennen
sie runter und geben die Befehle weiter, während andere versuchen die Seile des
Segels zu kappen. Mit jedem Schlag den die Ruder ins Wasser machen kommen sie
dem nächsten Hauptschiff einen weiteren Schritt näher, aber auch mit jedem
Schlag fangen die Ruder an immer stärker und stärker zu brennen.
Scheiße, wehe die ham sich nicht etwas
Besonderes ausgedacht.
Gerade als er
diesen Satz gedacht hat breitet sich das Funkeln um dem Hauptschiff immer
weiter aus und umschließt die umliegenden Schiffe.
Ha! Eine Barriere, sind diese Magier doch zu
irgendwas nutze! Er legt sich noch stärker ins Zeug.
Nichtmehr weit, dann sind wir drunter. Keine
vierhundert Fuß. Das Funkeln wird immer intensiver.
Ein kurzer Blick
in Richtung des Ruders, fast die Hälfte steht bereits in Flammen. Noch dreihundert Fuß.
Das Strahlen,
was von den Hauptschiffen ausgeht wird immer heftiger und zwingt Eisenfunk
wegzusehen.
Nur noch hundert Fuß. Wir haben es fast
geschafft, gleich sind wir in Sicherheit.
In diesem Moment
wird es schlagartig dunkel und als er verwirrt nach vorne blickt, sieht er
nichts. Keine Barriere, keine kleinen Schiffe, keine Hauptschiffe, nichts. Nur
ein kochendes Meer.
Wo sind sie hin?
Verwirrte Rufe
dringen an sein Ohr, die kurz darauf von panischen Schreien überdeckt werden.
„Feuer!“
Sie sind abgehaun.
„Scheiße, Eisen, wir müssen hier weg!“
Beißender Rauch
liegt in der Luft, man kann kaum noch die eigene Hand vor Augen sehen.
Diese elendigen Magier. Dieses verfluchte
feige Pack! Hustend und Fluchend steht er auf und blickt hasserfüllt in
Richtung Steinhafen.
„Ja, flieht nur,
aber glaubt ja nicht, ihr könntet mir entkommen. Ich werde euch jagen und jeden
einzelnen von euch abschlachten! Diese verdammten Drachen mit ihrer Magie und
ihr mit euer Magie … Magie ist die Wurzel allen Übels in dieser verfluchten
Welt und ich werde sie mit meinen eigenen Händen ausreißen!“, brüllt er in ihre
Richtung, wobei sich langsam das Feuer
auf seinen rechten Schuh hin ausbreitet.
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