Samstag, 9. März 2013

DK 13 Eine Seefahrt die ist lustig…


Nicht schon wieder. Resigniert beobachtet Eisenfunk wie sich sein Kamerad zum dritten Mal seit Ablegen lautstark übergibt.
   Dieser Name ist natürlich nicht der, mit dem er geboren wurde, aber es war der Name, dem man ihm nach der Grundausbildung gab. Selbstverständlich hat er niemanden jemals gesagt, dass er diesen Namen nur deswegen bekam, weil er es nie schaffte die ungeschützten Bereiche zu treffen und nur wie ein Blöder auf Stahl einschlug. Nein, wann immer man ihn fragt, woher er diesen Namen habe, sagt er, er war früher einmal Schmied. Dank seiner breiten Schultern und den Fäusten die breit wie Bratpfannen sind, wundert sich auch niemand über die Antwort oder traut sich einfach nicht noch einmal nachzufragen. So oder so ist ihm das recht.

   „Gott, du hast mich zwar gewarnt, du wärst nicht seefest. Aber das es so heftig ist? Verflucht, wir sind keine vier Glockenschläge unterwegs und du hast bereits Frühstück und Mittagessen ausgekotzt.“
   Noch leicht würgend zieht sich sein Kamerad von der Reling zurück  und starrt ihn mit trüben Augen an.
   „Fick dich Eisen, fick dich.“
   Wäre es ein Anderer, der diese Worte spräche, würd er vermutlich bereits auf halben Wege in Richtung Hölle sein, aber nach fünfzehn Jahren voller Kämpfe in den unterschiedlichsten Kriegen, müsste schon mehr kommen um ihre Freundschaft zu stören. Stattdessen lacht Eisenfunk nur lauthals.
   „Ich mein das ernst Kopflos. Die Wasserpisser behaupten wir ham noch locker zwei Tage Fahrt vor uns und du siehst jetzt schon aus als hätt dich nen Rudel Drachen bestiegen.“
   Kopflos, diesen Namen hat er sich in den Dämmerkriegen verdient. Mit seinen neu gewonnen Kumpel Eisenfunk und dem Rest seiner Kompanie hat er sich vor der ersten Schlacht so zugeschüttet, er hat vor dem Beginn des Kampfes das Herunterfallen eines Helmes mit dem Angriffsbefehl verwechselt und ist prompt mitten in die feindlichen Reihen gestürmt. Sein überleben war ein reines Wunder. Kopflos und Eisenfunk, zwei Veteranen der Dämmerkriege und noch einigen Scharmützeln und Kämpfen danach und doch ist heute das erste Mal auf See für Beide. Der Eine breit wie ein Schrank und ebenso hoch und der andere nur halb so groß, aber fast genauso breit.
   Kopflos Augen weiten sich kurz, als er zum ersten Mal hört wie lang die Reise noch gehen soll, aber er fängt sich schnell. „Pah, als ob mich so nen Flüsschen klein kriegen kann. Eher ersäuf ich es in meiner Kotze. Kümmer dich lieber um deine Luise. Die Arme sieht aus als hättest du sie ertränkt.“
   Eisenfunk sieht kurz nach unten. Neben seinem Knie lehnt die schwere Armbrust, der er den Namen einer seiner Exfrauen gegeben hat.
   Genauso fett wie das Original und wenn sie zuschlägt hauts selbst den dicksten Drachen aus den Latschen.
   „Das kommt von dieser elenden Pisse in der Luft. Bin selber schon vollkommen durchgeweicht.“
   „Dann verstau se halt endlich mal.“
   „Genau und wenn die Drachen angeschnattert kommen wedle ich solange mit den Pfoten bis sie panisch davon flitzen oder was?“
   „Du glaubst doch nicht wirklich, die greifen uns hier an, oder? So bescheuert können selbst die Drachen nicht sein. Wir ham hundertachtzig Magier auf unseren Schiffen und unter uns is nen verdammtes Meer. Wenn die uns zu nahe kommen fallen die wie die Fliegen.“
   Eisenfunk schnaubt zur Antwort. „Als ob dieses Feiglingspack uns helfen wird. Ich hab die Hauptmänner doch quasseln gehört. Die Hälfte der Hohemagier hat sich verpisst und der Rest machts denen doch garantiert nach. Angeblich sucht der Erzmagier nach den Verrätern. Ha! Wers glaubt. Zum Glück haben wir keine von diesen Ratten am Bord.“
   „Mh, ich hätt nichts gegen nen Magier. Der könnt uns zumindest warnen wenn was angeschnattert kommt.“
   „Ach so wie sie Blaukiefer gewarnt haben?“, wütend spuckt er aus. „Diese blinden Ratten hams ja nicht einmal geschafft eine komplette Invasionsflotte zu bemerken. Als ob die uns warnen könnten.“
   Kopflos rutscht unruhig hin und her. „Du hast noch nichts von deinem Bruder gehört?“
   „Nein.“
   Und damit hat sich das Thema erledigt.

Die erste Invasion der Drachen begann vor zwanzig Tagen. Eine gewaltige Streitkraft hatte es geschafft die weitreichenden Überwachungen des Zirkels zu umgehen und hatte damit begonnen eine Stadt im Hinterland nach der anderen auszulöschen. Es hat fast anderthalb Tage gedauert, bis die Truppen formiert und vor Ort waren um sich den Drachen zu stellen. Es begann eine blutige Schlacht in der knapp ein Drittel der Infanterie niedergemetzelt wurde. Darunter auch fast die gesamte Kompanie und viele weitere Kameraden der Beiden. Erst das viel zu späte Eingreifen des Zirkels hat für den Rückzug der Drachen gesorgt. Doch zu diesem Zeitpunkt war es bereits viel zu spät. Sieben Städte und neunzehn kleinere Dörfer wurden vollständig vernichtet. Der Militärrat hat resigniert beschlossen anstatt die Angehörigen der Opfer zu benachrichtigen, lieber nur die Angehörigen der Überlebenden zu benachrichtigen, das war weniger Aufwand …
   Nach diesem Ereignis wurden die Invasionspläne noch schneller vorangetrieben. Die bereits versammelten Schiffe wurden mit Soldaten und Kriegsgerät beladen und nach siebzehn Tagen stach etwa die Hälfte der Armee von Steinhafen und den umliegenden Städten in See. Insgesamt fast dreitausend Schiffe und fünftzigtausend Soldaten. Ihr Ziel ist es auf der gegenüberliegenden Landseite Fuß zu fassen und eine Portalstrecke aufzubauen um die restlichen Teile der Armee vor Ort zu bringen. Zusammen würden sie den Drachenhort angreifen und den Krieg ein für alle Mal beenden. So war zumindest der Plan.

Scheiße ist das warm. Unruhig wirft sich Eisenfunk von einer Seite auf die Andere. Bin ich in nem Glutofen gelandet? Schweißgebadet wirft er die Bettdecke zur Seite.
   „Kopf, bist du da?“ Er versucht sich im Dunkeln zurecht zu finden, entdeckt seine Luise und wirft sie sich über die Schulter, ehe er sich in die Richtung von Kopfloses Koje aufmacht. Als er sie endlich ertastet hat, greift er ins Leere.
   „Verflucht nochmal, was ist hier los?“ Im Zwielicht des Mondes, das durch ein verdrecktes Bullauge hindurchscheint, torkelt Eisenfunk in Richtung Kabinentür. Als er sie erreicht reißt er sie, in freudiger Erwartung auf eine kühle Brise, auf und wird regelrecht erschlagen von der Hitzewoge, die ihm entgegenweht. Ehe er es schafft zu Atem zu kommen entdeckt er seinen Kumpel wie er sich wieder einmal über die Reling hängt.
   „Kopf! Irgendeine Scheiße geht hier ab und dir fällt nichts besser ein als die verdammten Fische zu füttern?“
   „Halts Maul und komm lieber her.“
   Was zum? Verwundert läuft er zu ihm und beugt sich selber über die Reling. „Scheiße, das Wasser kocht?“
   „Ist mir auch erst vor kurzem aufgefallen. Ich hab mal gehört es gibt riesige Vulkane unter Wasser. Die sollen das Wasser so richtig aufheizen können. Glaubst du unter uns is so einer?“
   „Mh, ich weiß ja nicht.“
   In diesem Moment erklingt eine Glocke von einem der hinteren Schiffe. Kurz darauf erschüttert ein gewaltiges Brüllen die bis noch eben ruhige Nacht. Der Himmel leuchtet auf und mehrere Feuerbälle stürzen in die Tiefe.
   „Drachen! Sie greifen an!“, ertönt es von überall.
Als ob ich das selbst nicht gemerkt hätte.
   Kopflos macht seinen Namen alle Ehre und stürmt an seinen Kumpanen vorbei.
   „Wo willst du hin? Die Ziele sind da oben!“, Eisenfunk zeigt in den Himmel.
   Nur kurz bleibt Kopflos vor der Kajüte stehen, ehe er die Tür aufreißt und reinrennt. Dabei ruft er schnell: „Meine Armbrust hohlen verflucht nochmal.“
   Von der Ironie gepackt fängt Eisenfunk an laut zu lachen, bis eins der Geschosse mit Getöse knapp neben dem Rumpf des Schiffes einschlägt und eine gewaltige Woge aus Dampf und Gischt übers Deck jagt. Noch halb erblindet greift er nach Luise und lädt sie routiniert durch. In dem Moment als sich die Gischtwolke endlich verzogen hat, sieht er zum ersten Mal die waren Ausmaße des Angriffes.
   Die Luft ist voll von Drachen, zwar halten sie sich alle so weit oben wie möglich, aber das hindert sie nicht daran, aus vollem Hals heraus, Feuer gehn Erde zu speien. Unten wiederum herrscht reger Betrieb auf den anderen Schiffen. Überall rennen Matrosen rum und versuchen die Schiffe auf Fahrt zu bringen um den Geschossen auszuweichen. Dabei laden Soldaten ihre Armbrüste und Bögen durch und feuern auf die wenigen Drachen, die sich tief genug runter trauen. Nur die großen Hauptschiffe rühren sich nicht. Kein Wunder, selbst wenn sie es wollten, sie wären sowieso zu langsam um den Geschossen auszuweichen. Stattdessen entdeckt Eisenfunk ein Funkeln um den Schiffen herum.
   Magier, pah!
   In dem Moment als die Flammengeschosse dem Funkeln zu nahe kommen, leuchtet sie hell auf und werden in tausende von Bruchstücken zerteilt. Diese Teile wiederum prasseln auf die umliegenden Schiffe.
   Verflucht, diese elenden Bastarde bringen noch unsere eigenen Leute um.
   „Da kommt einer!“ Als er diese Warnung hört reißt er sich von dem Anblick los, nimmt Luise in Anschlag und blickt nach oben. Ein gewaltiger Drache stürzt vom Himmel herab.
   Selbstmord was? Na da helfe ich dir doch gern.
   Während er immer näher und näher kommt reißt die fast fünfzig Fuß lange Bestie ihr Maul auf.
   Näher. Schnell wischt er sich den Schweiß von der Stirn.
   Um ihn herum feuern bereits die ersten Soldaten ihre Bolzen ab, doch auf die Entfernung kommt nicht einer auch nur in die Nähe des Drachens.
   Noch näher. Langsam nimmt er das linke Auge ins Visier, während sich im Maul der Echse eine Feuerwoge sammelt.
   Jetzt. Sanft drückt er den Abzug, Die Waffe ruckt, ein Strang der Sehne reißt und der Bolzen fliegt schief aus der Waffe.
   Fuck, ich hasse Seefahrten.
   In diesem Moment brüllt der Drache auf und reißt seinen Kopf hin und her. Ein Bolzen ragt aus seinem linken Auge heraus. Vollkommen panisch begreift er seine Lage viel zu spät und schafft es nichtmehr das Unvermeidbare zu verhindern. Mit voller Wucht knallt der Drache auf die Wasseroberfläche. Um Eisenfunk herum rennen die Soldaten an die Reling und feuern ins Wasser.
   Woher?
   Als er sich umdreht entdeckt er Kopflos in der Tür, seine Armbrust noch immer im Anschlag. „Ich hab dir gesagt du sollst sie verstauen.“
„Ach leck mich.“ Wütend packt er sich die Waffe eines jungen Rekruten. Ehe der protestieren kann besinnt er sich schnell eines Besseren und läuft unter Deck, um sich eine der Ersatzwaffen zu besorgen.
   „Das sind echt beschissene Schützen.“
   „Ja, sie feuern viel zu früh. Da trifft doch keiner der Bolzen.“
   „Ich red nich von unsren Leuten.“
   „Was?“, verwirrt sieht Eisenfunk ihn an.
   „Die Drachen, sie speien Feuer wie blöde, aber sie treffen kaum.“
   Misstrauisch beobachtet Eisenfunk die Kämpfe über den Schiffen. „Ham vielleicht nur Schiss.“
   In diesem Moment trifft ein Geschoss die Backbordseite des Schiffes. Die Wucht ist so heftig, beide Männer verlieren kurz den Kontakt zum Boden, ehe sie sich fangen können. Zwei andere Soldaten hatten nicht das Glück, die Wucht hat sie über Bord geschleudert.
   „Verfluchte …“ Schnell greift sich Eisenfunk ein paar Taue und schleudert sie den Männern hinterher.
   Vielleicht können sie sie noch greifen.
   Gerade als er sich abwenden wollte, hört er die panischen Schreie. Als er schnell einen Blick über die Reling wirft, erstarrt er. Beide Männer winden sich schmerzerfüllt im Wasser. Ihre Arme, die sie verzweifelt in Richtung Schiff erhoben haben, stehen in Flammen, während sich das Schiff immer weiter von ihnen entfernt.
   Das Wasser, das kochende Wasser! Sofort sieht er Runter auf den Bug des Schiffes. Rauchschwaden steigen auf. Das Schiff brennt?
   „Die Bastarde setzen das Meer in Brand!“
   Kopflos starrt ihn verwirrt an, ehe er begreift. „Sie feuern nicht auf uns, sie feuern aufs Meer.“

Kurz darauf wird das erste Schiff in Flammen gesteckt. Von unten herauf fängt es an zu brennen. Panisch versucht die Mannschaft ins rettende Meer zu springen ehe sie begreift, dies bedeutet ihren Tod.
   Scheiße, wir müssen hier weg.
   Schnell stürmt er an Kopflos vorbei in Richtung des Steuermannes. Oben angekommen entdeckt er den Kapitän, der offensichtlich verrückt geworden ist. Er steuert direkt in Richtung der Hauptflotte. Als Eisenfunk das bemerkt reißt er ihn herum und brüllt ihn an: „Was soll die Scheiße, willst du uns grillen? Steuer in die andere Richtung!“
   Mit weit aufgerissenen Augen starrt der Kapitän ihn an. „Das war ein Befehl von den Admirälen. Sie haben allen Schiffen befohlen sich sofort bei den Hauptschiffen zu sammeln!“
   „Sind die irre?“
   „Fuck!“
   Beide drehen sich um und entdecken einen vollkommen durchgeschwitzten Kopflos, der sich gerade die letzte Stufe hochgequält hat und nun entsetzt nach oben starrt. Die beiden machen es ihm nach und beobachten wie gerade das Hauptsegel anfängt Feuer zu fangen.
   Es ist so heiß das selbst das durchnässte Leinen Feuer fängt.
   „Wir haben keine andere Wahl, geht sofort an die Ruder!“, brüllt der Kapitän beide an.
   Schnell rennen sie runter und geben die Befehle weiter, während andere versuchen die Seile des Segels zu kappen. Mit jedem Schlag den die Ruder ins Wasser machen kommen sie dem nächsten Hauptschiff einen weiteren Schritt näher, aber auch mit jedem Schlag fangen die Ruder an immer stärker und stärker zu brennen.
   Scheiße, wehe die ham sich nicht etwas Besonderes ausgedacht.
   Gerade als er diesen Satz gedacht hat breitet sich das Funkeln um dem Hauptschiff immer weiter aus und umschließt die umliegenden Schiffe.
   Ha! Eine Barriere, sind diese Magier doch zu irgendwas nutze! Er legt sich noch stärker ins Zeug.
   Nichtmehr weit, dann sind wir drunter. Keine vierhundert Fuß. Das Funkeln wird immer intensiver.
   Ein kurzer Blick in Richtung des Ruders, fast die Hälfte steht bereits in Flammen. Noch dreihundert Fuß.
   Das Strahlen, was von den Hauptschiffen ausgeht wird immer heftiger und zwingt Eisenfunk wegzusehen.
   Nur noch hundert Fuß. Wir haben es fast geschafft, gleich sind wir in Sicherheit.
   In diesem Moment wird es schlagartig dunkel und als er verwirrt nach vorne blickt, sieht er nichts. Keine Barriere, keine kleinen Schiffe, keine Hauptschiffe, nichts. Nur ein kochendes Meer.
   Wo sind sie hin?
   Verwirrte Rufe dringen an sein Ohr, die kurz darauf von panischen Schreien überdeckt werden. „Feuer!“
   Sie sind abgehaun.
   „Scheiße, Eisen, wir müssen hier weg!“
   Beißender Rauch liegt in der Luft, man kann kaum noch die eigene Hand vor Augen sehen.
   Diese elendigen Magier. Dieses verfluchte feige Pack! Hustend und Fluchend steht er auf und blickt hasserfüllt in Richtung Steinhafen.
   „Ja, flieht nur, aber glaubt ja nicht, ihr könntet mir entkommen. Ich werde euch jagen und jeden einzelnen von euch abschlachten! Diese verdammten Drachen mit ihrer Magie und ihr mit euer Magie … Magie ist die Wurzel allen Übels in dieser verfluchten Welt und ich werde sie mit meinen eigenen Händen ausreißen!“, brüllt er in ihre Richtung, wobei  sich langsam das Feuer auf seinen rechten Schuh hin ausbreitet.

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