Ein sonniger Morgen. Auf dem Exerzierplatz der Wächter
haben sich fast alle Soldaten von Steinhafen und den umliegenden Städten
versammelt. Dicht an dicht stehen sie da und beobachten das Treiben oben auf
der Bühne.
„Sieh dir nur
unsere Helden an“, flüstert ihm Toris ins Ohr.
„Mhm.“ Er hat nicht Unrecht. Seht sie euch an: Die
Helden von Steinhafen.
Der Erste: Großadmiral Saiten. Früher ein
massiger Mann mit großen Bart und eine Stimme die nicht nur auf seinem eigenen
Deck, sondern auch noch an Land zu hören war und jetzt? Abgemagert. Kein
Wunder, hat er doch fast zwei Drittel seiner Untergebenen verloren, über
zehntausend Mann. Er soll seit dieser Niederlage keinen Bissen mehr zu sich
genommen haben. Seinen Bart musste er sich abrasieren, nachdem mehr als die
Hälfte davon in den Flammen verging und seine Stimme? Nur ein heiseres
Flüstern. Das Feuer hat ihm alles genommen.
Neben ihm steht unser nächster Held:
Hohemagier Aros. Er war es der erkannte was die Drachen vorhatten und den
einzig möglichen Befehl gab um zumindest einen Teil der Flotte zu retten.
Glaube aber nicht, er ist sonderlich stolz darauf. Nicht alle seiner Leute
waren auf den Hauptschiffen und die Ehre, eines der Flaggschiffe, wurde
vollständig zerstört. Mit ihr über vierzig Magier, so sind insgesamt fast
achtzig gestorben. Doch im Gegensatz zu unsrem ersten Helden, hält er wohl
nichts von Enthaltsamkeit, stattdessen gibt er sich der Völlerei hin. Falls man
Alkohol als Essen bezeichnen könnte. Als die Helden die Bühne betreten haben,
wäre er fast von der Treppe gefallen, so dicht ist er. Aber es ist nicht nur
der Alkohol, der ihm zusetzt. Man sieht es bei allen Magiern in letzter Zeit.
Sie sind alle kraftlos, ausgezerrt und müde. Der Wasserentzug nagt an ihnen.
Kommen wir nun zum letzten unserer tollen
Heldenschaar. Vor diesem gruselt es mich am meisten. Ein Hauptmann der
Blaukiefer überlebt hat. Nicht, dass das bereits Leistung genug wäre, hat er
nur mit einem billigen Schwert bewaffnet einen gewaltigen Drachen erlegt. Nein,
nicht erlegt, er hat ihn niedergemetzelt. Dabei sieht er überhaupt nicht aus
wie jemand, der zu so etwas fähig wäre. Auf den ersten Blick wirkt er ziemlich
schmächtig, aber sein Blick … Sein Blick ist absolut angsteinflößend. Es sieht
aus wie der Blick eines Toten, als ob er jeden Sinn im Leben verloren hätte.
Toris behauptet das sogar. Er sagt dieser Drache hätte kurz vorher die Ehefrau
des Hauptmanns in Stücke gerissen. Zumindest hat das ein anderer Überlebender
behauptet. Danach fragen will ich ihn aber jedenfalls nicht. Auch wenn ich
vielleicht irgendwann die Möglichkeit dazu hätte. Man hat ihn immerhin zum
Marschall ernannt und ihm damit den Oberbefehl über die Infanterie gegeben. Als Nachfolger von Kulak, der zusammen mit
seinen Beraterstab auf der Ehre in Flammen aufgegangen ist. So möchte man doch
gerne an seine neue Stellen kommen, oder?
Die Rede ist zu Ende, die Helden wurden geehrt und
nachdem die letzten aufgehört haben zu klatschen, ist die Menge dabei sich
wieder aufzulösen.
„Reth?“
Verwundert
blickt er Toris an. „Mh, was ist?“, fragt er ihn.
„Nichts, du
siehst nur ziemlich betrübt aus.“
„Kann sein.
Sagst du bitte dem Hauptmann, ich werde mich ein wenig verspäten? Ich muss noch
wohin. Unsere Schicht fängt eh erst später an.“
„Na gut“,
erwidert Toris ohne weiter nachzuhaken. Er sieht ihm noch kurz nach wie er
langsam dahinschlürft, ehe er zurück zur Stube geht.
Reth geht weiter
seinen Gedanken nach: Die Situation ist
mehr als nur angespannt. Nachdem das Meer auf einmal angefangen hat zu kochen
ist alles drunter und drüber gegangen. Viele der Fischer die auf See waren
haben es nicht rechtzeitig zurück geschafft und dann ist auf einmal der Hafen
regelrecht explodiert. Schiff für Schiff ist aus dem Nichts aufgetaucht. Die
meisten davon haben bereits gebrannt, andere waren sogar bereits nichts weiter
als verbranntes Holz. Ohne das Wasser aus dem Meer hat es Ewigkeiten gedauert
die Schiffe zu löschen und die Überlebenden zu bergen.
Reth schüttelt
den Kopf. Mit einem Schlag wurde fast die
Hälfte unserer Armee vernichtet. Seitdem greifen sie uns jede Nacht an, ein
Zermürbungskrieg. Toris behauptet das bald ihr richtiger Angriff beginnt.
Vermutlich hat er Recht, die Magier, unsere einzige richtige Waffe gegen die
Bestien, sind so gut wie fertig. Jeden Tag brechen mehr und mehr zusammen. Ah
da ist er ja.
Der Hafen von Steinhafen. Massiv aus Stein,
gebaut für die Ewigkeit. Derjenige der dieser Stadt ihren Namen gegeben hat.
Derjenige der die Stadt mit Reichtum und Leben beschenkt hat. Lachende und
spielende Kinder, die im Wasser herumtollen. Fischweiber, die ihre Waren
anpreisen, während ihre Männer gerade dabei sind den frisch gefangenen Fang
auszunehmen. Eine sanfte Briese die übers Meer fegt. Das Salz auf der Zunge
schmecken, während man die noch junge Sonne im Meer bewundert … All das gibt es
nicht mehr. Halb geschmolzener Fels neigt sich in die Tiefe, runter in eine
weite ausgetrocknete Ödnis. Niemand läuft hier noch rum, dafür stinkt es zu
sehr nach verbranntem Stein, Holz und ganz besonders nach verbrannten Fleisch.
Mit jedem Windzug wird einen dieser Gestank wieder und wieder ins Gesicht
geweht. Ich will gar nicht schlucken, ansonsten schmeck ich es wieder auf der Zunge.
Er bleibt am
Rand stehen und blickt nach unten. Nichts
als Ödnis. In einer Nacht wurde aus diesem schönen Meer eine einzige Wüste.
„Dacht ich mir
doch das du hier bist.“
Toris.
„Ich kann es einfach immer noch nicht
glauben. Es sind keine zehn Tage her, dass ich hier stand und mir die Gischt
ins Gesicht geweht ist. Jetzt regnet es nicht einmal mehr.“
„Mhm.“ Toris
kommt langsam näher und legt seine Arme um ihm. „Ich weiß. Ich stand mit dir
hier. Genauso wie jetzt auch.“
„Ja …“ Er lässt sich
leicht zurückfallen in die Umarmung seines Liebsten. „Ich glaube es wird noch
schlimmer.“
„Vermutlich.“
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