Dienstag, 5. März 2013

DK 17 Von Göttern und Verrätern


Catherine … Ich bete jede Moment meines Lebens dafür dir nicht im Hort zu begegnen. Aber du würdest dich ihnen doch sowieso nie anschließen, oder? Das hast du gesagt. Du hättest ihnen eine Absage erteilt. Ja das hast du. Wobei auch ich gesagt habe, ich werde nicht für sie kämpfen
   Traurig betrachtet er die schwarzen Adern, die sich durch seine Hände ziehen. Ich spüre immer noch das Blut auf meinen Händen, schmecke immer noch den Gestank ihrer zerfetzten Eingeweide auf meiner Zunge … Bitte sei nicht da. Bitte sei geflohen. Bitte, du musst die Kutsche genommen haben und bist so weit weg wie möglich geflohen. Allein der Gedanke du müsstest es mitansehen. Nein, das will ich nicht.… Ich will nicht, dass du mich so siehst.
   Schwarze Tropfen fallen in seine ineinander gefalteten Hände.
   „Koman, Kommandant?“, eine dünne verängstigte Stimme erklingt hinter ihm.
   „Was?“ Kalt und ausdruckslos. Der Junge macht sich bestimmt gleich in die Hose.
   „Die Letzten kommen gerade durch das Portal. Also die letzten Soldaten kommen gerade durchs Portal. Der Marshall hat zu einer Lagebesprechung gerufen. Sie findet auf den kleinen Hügel dahinten statt“, mit zitternder Hand zeigt er auf die andere Seite der Armee. „Die Hauptmänner sind bereits vor Ort und …“
   „Jaja, geh vor.“
   „Ich, ok, ja Sir.“ Schnell rennt der junge Soldat vor.
   Nur schwer kann sich Samarus von der einsamen Klippe, auf der er eben noch stand, trennen.
   Der Marshall, so nennt ihn jeder hier. Ich weiß immer noch nicht seinen richtigen Namen. Der Name ist aber nicht verwunderlich. Immerhin unterstehen ihm alle Truppen, nachdem die Kavallerie fast komplett aufgelöst wurde, um die Infanterie zu stärken. Ein Gaul ist halt nutzlos gegen einen Drachen. Nun ja, genau wie ein Mensch … Marshall Sünders ist zusammen mit dem Großmarshall und dem Großadmiral in Steinhafen geblieben. Damit bleibt nur dieser totgesichtige Marshall als Befehlshaber. Nun gut. Neben Aros, der die Magier befehligt und mir, den sie warum auch immer Kommandant nennen.
   Noch ehe die ersten Soldaten ihn bemerken, weichen sie bereits aus. Schnell bildet sich eine Gasse, durch die er hindurch geht.
   Keiner von ihnen schafft es mir in die Augen zu sehen.

Aros und der Marshall erwarten ihn bereits. „Da seid ihr ja. Die letzten Männer kommen gerade durch das Portal. Die Landung war erfolgreich und wir hatten keine Begegnungen mit Drachen. Wie sieht eure weitere Planung aus?“, eröffnet der Marshall die Besprechung.
   „Ich habe es bereits mit Aros abgesprochen. Seine Magier werden einen Illusionsnebel aufbauen um die Truppen zu verstecken. Der Hort befindet sich hinter dem rechten Arm der Schlucht vor uns. Das Problem ist: Er wurde logischerweise für Drachen gemacht. Es gibt keinen Eingang am Boden.“
   Aros führt die Erklärung fort. „Die Illusion sollte uns sicher vor die Felsen des Horts bringen. Von dort werden Athera und ich den Fels überwinden und schnell eine Portalstrecke aufbauen. Die restlichen Magier und die Schützen werden uns Rückendeckung geben, falls wir entdeckt werden. Daraufhin kann die Infanterie hoch in die Tunnel.“
   „Gut, dort können die Drachen nicht einfach wegfliegen. Nur macht mir ihr Feuer sorgen.“
   „Die Barrieren, die Samarus geschaffen hat, werden mindestens zwanzig direkte Feuerstöße überstehen, wenn nicht mehr. Zusammen mit dem Schutz meiner Magier können die Drachen so viel Feuer spucken wie sie wollen.“
   „Und was werdet ihr in der Zeit machen, Dev?“
   „Ich werde einen Großteil ihrer Armee ablenken und beschäftigen. Dafür muss ich noch einige Vorbereitungen treffen. Ich werde erst im Laufe der Schlacht zu euch stoßen können. Bis dahin solltet ihr gut ohne mich auskommen.“
   Bedächtig nickt der Marshall seine Zustimmung. „Gut, dann werde ich den Befehl zum Aufbruch geben.“
   „Einen Moment noch. Es gibt noch einen Punkt den ich ansprechen muss“, hält ihn Samarus auf.
   „Der da wäre?“
   „Im Hort: Niemand wird dort einen Drachen töten, der sich ergibt oder ein Welpe ist.“
   Ungläubig sieht der Marshall und Aros ihn an. Gemurmel geht durch die Reihen der anwesenden Hauptmänner.
   „Was? Seit ihr Irre?“
   „Nein, der Hort ist Wohnort und Brutstätte. Dort befinden sich viele Zivilisten. Keiner wird einen von ihnen töten.“
   „Zivi, Zivilisten? Das sind DRACHEN, da gibt es keine Zivilisten!“ Die totengleiche Miene des Marshalls zerfällt und an ihrer Stelle tritt ein hassverzerrtes Gesicht. „Wir werden da absolut jeden abschlachten, der kein Mensch ist. Scheißegal ob Männlein, Weiblein oder ein nach der Zitze seiner Mutter flennender Welpe! Wir werden diesen Abschaum von der Bildfläche räumen …“
   Ehe er den Satz zu Ende bringen konnte packt ihn Samarus an der Kehle. Mühelos hebt er ihn hoch, seine Augen werden noch finsterer als sie ohnehin schon sind. Es wirkt fast so als würde man in einen unendlich tiefen Abgrund blicken. Schnell ziehen die umstehenden Soldaten ihre Waffen, doch ehe sie auch nur einen Schritt machen können, hat Samarus bereits mit einen kurzen Ruck seines Arms die Sense in seine Hand befohlen.
   Hecktisches Gemurmel breitet sich aus: „Ist das?“ „Das kann nicht sein.“ „Diese Waffe.“ „Ich kenn sie doch.“ „Unmöglich.“ „Das ist sie nicht.“ „Seht euch seinen Arm an!“ „Das muss sie sein!“ „Oh mein Gott, sein Arm!“
   Langsam betrachtet Samarus seinen Arm, der die Sense trägt. Wo vor wenigen Liedschlägen noch sein mit schwarzen Adern durchzogener Arm war, befinden sich nun nur noch Knochen. Als hätte, in den wenigen Augenblicken bis eben, ein Rudel Hunde ihm Haut und Fleisch von den Knochen gerissen.
   Ach ja.
   „Die Sense des Todes. Das kann nicht sein. Unmöglich!“

„Du wagst dich tatsächlich in mein Reich? Freiwillig?“ Ein hohles Lachen erklingt aus dem dunklen Loch der Kapuze. „Das hat bisher nur einer gewagt und glaube mir, er bereut es bis heute. Willst du dich zu ihm gesellen? Mir deine jämmerliche Seele darbieten, Mensch?“
   Ich hätte nicht erwartet das man diese Bezeichnung so abwerten aussprechen könnte.
   „Vielleicht nächstes Mal. Ich bin hier um dir ein Geschäft anzubieten.“
   Wieder erklingt dieses beängstigende Lachen. „Du, ein Mensch, willst mir, einem Gott, ein Geschäft anbieten? Aber nein, nicht irgendeinen Gott. Ich bin der Gott der Götter. Ich bin der Tod!“ Mit diesem letzten Wort wird die gesamte Sphäre erschüttert. Alles scheint sich zu verschieben, ehe der Schöpfer dieser Welt sich wieder fängt. „Und du wagst es mir ein Geschäft anzubieten?“
   „Ja … Ich will deine Waffe.“
   Die Kutte legt sich leicht auf die rechte Seite. „Die hier willst du?“ Eine pechschwarze Sense erscheint in der Hand des Gottes, die Hände unter seiner langen Kutte verdeckt. Bis auf die Farbe wirkt nichts an der Sense abnormal. Sie sieht aus wie eine reguläre Sense, nur ohne den Griff zum Mähen. Denn diese Klinge wurde für einen anderen Zweck geschaffen. Diesen Zweck wiederum spürt jedes Wesen was diese Waffe betrachtet.
   „Ja.“
   „Wirklich? Du willst diese seelenverschlingende Waffe?“ Er kommt langsam auf Samarus zu.
   „Ja.“
   „Bist du dir absolut sicher? Eine winzige Berührung reicht aus und deine Seele gehört mir.“
   „Ja.“
   „Du solltest sie vielleicht vorher einmal ausprobieren.“ Und mit diesem Satz berührt die Spitze der Klinge Samarus Kopf. Ein leichter Schock durchzuckt ihn und er fällt um. Leblos blicken seine Augen in den aschfahlen unnatürlichen Himmel.
   „Menschen … Ich habe noch nie eine so dumme Rasse gesehen.“
   Gerade als er sich wieder auf seinen Knochenthron setzen will, erklingt von Hinten eine Stimme: „Ja, genau so hab ich mir das vorgestellt.“
   Sofort wirbelt der Gott herum und muss mit ansehen, wie sich dieser Mensch langsam wieder aufrichtet. „Du bist vielleicht doch nicht ganz so langweilig, wie ich dich eingeschätzt habe.“
Samarus klopft sich den Staub von der Tunika. „Das sagen viele.“
   „Also willst du diese Waffe besitzen?“
   „Nur ausleihen.“
   „Ausleihen, du willst also diese Waffe ausleihen?“
   „Genau.“
   „Und wofür? Was könntest du mir schon geben? Deine Seele? Die bekomme ich sowieso. Mir gehören alle Seelen! Mir gehören die Seelen eines jeden Menschens, jedem Halbwesens und selbst die Kinder der Götter gehören mir!“
   „Du hast die Seelen der Drachen vergessen.“
   Ein leichtes Zucken erschüttert für einen Moment die Kutte.
   „Dir gehören doch die Seelen der Drachen oder nicht?“
   „Wer bist du?“
   „Mein Name ist Samarus. Samarus Dev. Hocherfreut.“
   „Was weißt du?“
   „Nun ja, ich weiß das Drachen an nicht glauben. Damit sind sie wohl einzigartig unter den intelligenten Wesen. Drachen vertrauen nur auf sich und auf ihre Geschwister. Damit haben sie auch keine Götter und damit auch keine Wesen die ihre Seelen beanspruchen könnten“, er grinst ihn an.
   „Du willst also meine Waffe zum ernten ihrer Seelen?“
   „Ja.“
   „Wie viele?“
   „Tausende.“
   Wieder ein Zucken unter der Kapuze. „Wieso sollte ich Interesse an ihren Seelen haben?“
   „Vielleicht weil die Seele eines Drachen heller strahlt, als die von hunderten von Menschen? Oder vielleicht auch einfach nur, weil du noch nie eine kosten konntest.“
   Stille breitet sich aus. Diese tote Welt wirkt sofort noch trostloser.

„Hier.“ Nach endlosen Minuten hält der Gott ihm die Sense hin.
   Zufrieden stiehlt sich ein kurzes Lächeln in Samarus Gesicht. In dem Moment als er nach der Waffe greift, durchzuckt ihn ein gewaltiger Schmerz und er muss mit Entsetzen ansehen wie sich seine Haut samt Fleisch vom Knochen löst. Erst beim Finger, dann bei der Hand und hoch über den Ellenbogen. Erst kurz vor seiner Schulter hört der Zerfall auf.
   „Viel Spaß damit“, kommt es hämisch unter der Kutte hervor.
   Mit schwerem Atem richtet sich Samarus wieder auf. Als er sich umdreht und gehen will ruft der Gott ihm ein  „Auf Wiedersehen“ nach und lacht dabei.
   Samarus blickt kurz zurück. „Nicht so bald, wie du dir erhoffst.“
   Dieses Mal wird die Sphäre durch das tote Lachen eines Gottes erschüttert.

Samarus Blick fokussiert sich wieder. „Ja, das ist die Waffe für die ihr sie haltet.“ Er blickt wieder hoch in die Augen des Marshalls, der verzweifelt im eisenstarken Griff seiner Hand nach Luft schnappt. „Solltet ihr euch auch nur an einen Unschuldigen vergreifen, werde ich euer aller Seelen opfern. Habt ihr mich verstanden?“
   Die umstehenden Soldaten nicken panisch und bekunden ihr Einverständnis.
   „Gut, da das geklärt ist …“
   Schwerfällig knallt der Marshall auf den Boden.
   „… entschuldigt mich bitte. Ich muss noch einen guten Freund verraten.“

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