Catherine … Ich
bete jede Moment meines Lebens dafür dir nicht im Hort zu begegnen. Aber du
würdest dich ihnen doch sowieso nie anschließen, oder? Das hast du gesagt. Du
hättest ihnen eine Absage erteilt. Ja das hast du. Wobei auch ich gesagt habe,
ich werde nicht für sie kämpfen …
Traurig
betrachtet er die schwarzen Adern, die sich durch seine Hände ziehen. Ich spüre immer noch das Blut auf meinen
Händen, schmecke immer noch den Gestank ihrer zerfetzten Eingeweide auf meiner
Zunge … Bitte sei nicht da. Bitte sei geflohen. Bitte, du musst die Kutsche
genommen haben und bist so weit weg wie möglich geflohen. Allein der Gedanke du
müsstest es mitansehen. Nein, das will ich nicht.… Ich will nicht, dass du mich
so siehst.
Schwarze Tropfen fallen in seine
ineinander gefalteten Hände.
„Koman,
Kommandant?“, eine dünne verängstigte Stimme erklingt hinter ihm.
„Was?“ Kalt und ausdruckslos. Der Junge macht sich
bestimmt gleich in die Hose.
„Die Letzten
kommen gerade durch das Portal. Also die letzten Soldaten kommen gerade durchs
Portal. Der Marshall hat zu einer Lagebesprechung gerufen. Sie findet auf den
kleinen Hügel dahinten statt“, mit zitternder Hand zeigt er auf die andere Seite
der Armee. „Die Hauptmänner sind bereits vor Ort und …“
„Jaja, geh vor.“
„Ich, ok, ja
Sir.“ Schnell rennt der junge Soldat vor.
Nur schwer kann
sich Samarus von der einsamen Klippe, auf der er eben noch stand, trennen.
Der Marshall, so nennt ihn jeder hier. Ich
weiß immer noch nicht seinen richtigen Namen. Der Name ist aber nicht
verwunderlich. Immerhin unterstehen ihm alle Truppen, nachdem die Kavallerie
fast komplett aufgelöst wurde, um die Infanterie zu stärken. Ein Gaul ist halt
nutzlos gegen einen Drachen. Nun ja, genau wie ein Mensch … Marshall Sünders
ist zusammen mit dem Großmarshall und dem Großadmiral in Steinhafen geblieben.
Damit bleibt nur dieser totgesichtige Marshall als Befehlshaber. Nun gut. Neben
Aros, der die Magier befehligt und mir, den sie warum auch immer Kommandant
nennen.
Noch ehe die
ersten Soldaten ihn bemerken, weichen sie bereits aus. Schnell bildet sich eine
Gasse, durch die er hindurch geht.
Keiner von ihnen schafft es mir in die Augen
zu sehen.
Aros und der Marshall erwarten ihn bereits. „Da seid ihr
ja. Die letzten Männer kommen gerade durch das Portal. Die Landung war
erfolgreich und wir hatten keine Begegnungen mit Drachen. Wie sieht eure
weitere Planung aus?“, eröffnet der Marshall die Besprechung.
„Ich habe es
bereits mit Aros abgesprochen. Seine Magier werden einen Illusionsnebel
aufbauen um die Truppen zu verstecken. Der Hort befindet sich hinter dem
rechten Arm der Schlucht vor uns. Das Problem ist: Er wurde logischerweise für
Drachen gemacht. Es gibt keinen Eingang am Boden.“
Aros führt die
Erklärung fort. „Die Illusion sollte uns sicher vor die Felsen des Horts
bringen. Von dort werden Athera und ich den Fels überwinden und schnell eine
Portalstrecke aufbauen. Die restlichen Magier und die Schützen werden uns
Rückendeckung geben, falls wir entdeckt werden. Daraufhin kann die Infanterie
hoch in die Tunnel.“
„Gut, dort
können die Drachen nicht einfach wegfliegen. Nur macht mir ihr Feuer sorgen.“
„Die Barrieren,
die Samarus geschaffen hat, werden mindestens zwanzig direkte Feuerstöße
überstehen, wenn nicht mehr. Zusammen mit dem Schutz meiner Magier können die
Drachen so viel Feuer spucken wie sie wollen.“
„Und was werdet
ihr in der Zeit machen, Dev?“
„Ich werde einen
Großteil ihrer Armee ablenken und beschäftigen. Dafür muss ich noch einige
Vorbereitungen treffen. Ich werde erst im Laufe der Schlacht zu euch stoßen
können. Bis dahin solltet ihr gut ohne mich auskommen.“
Bedächtig nickt
der Marshall seine Zustimmung. „Gut, dann werde ich den Befehl zum Aufbruch
geben.“
„Einen Moment
noch. Es gibt noch einen Punkt den ich ansprechen muss“, hält ihn Samarus auf.
„Der da wäre?“
„Im Hort:
Niemand wird dort einen Drachen töten, der sich ergibt oder ein Welpe ist.“
Ungläubig sieht
der Marshall und Aros ihn an. Gemurmel geht durch die Reihen der anwesenden
Hauptmänner.
„Was? Seit ihr
Irre?“
„Nein, der Hort
ist Wohnort und Brutstätte. Dort befinden sich viele Zivilisten. Keiner wird
einen von ihnen töten.“
„Zivi,
Zivilisten? Das sind DRACHEN, da gibt es keine Zivilisten!“ Die totengleiche
Miene des Marshalls zerfällt und an ihrer Stelle tritt ein hassverzerrtes
Gesicht. „Wir werden da absolut jeden abschlachten, der kein Mensch ist.
Scheißegal ob Männlein, Weiblein oder ein nach der Zitze seiner Mutter
flennender Welpe! Wir werden diesen Abschaum von der Bildfläche räumen …“
Ehe er den Satz
zu Ende bringen konnte packt ihn Samarus an der Kehle. Mühelos hebt er ihn
hoch, seine Augen werden noch finsterer als sie ohnehin schon sind. Es wirkt
fast so als würde man in einen unendlich tiefen Abgrund blicken. Schnell ziehen
die umstehenden Soldaten ihre Waffen, doch ehe sie auch nur einen Schritt
machen können, hat Samarus bereits mit einen kurzen Ruck seines Arms die Sense
in seine Hand befohlen.
Hecktisches
Gemurmel breitet sich aus: „Ist das?“ „Das kann nicht sein.“ „Diese Waffe.“
„Ich kenn sie doch.“ „Unmöglich.“ „Das ist sie nicht.“ „Seht euch seinen Arm
an!“ „Das muss sie sein!“ „Oh mein Gott, sein Arm!“
Langsam betrachtet
Samarus seinen Arm, der die Sense trägt. Wo vor wenigen Liedschlägen noch sein
mit schwarzen Adern durchzogener Arm war, befinden sich nun nur noch Knochen.
Als hätte, in den wenigen Augenblicken bis eben, ein Rudel Hunde ihm Haut und
Fleisch von den Knochen gerissen.
Ach ja.
„Die Sense des
Todes. Das kann nicht sein. Unmöglich!“
„Du wagst dich tatsächlich in mein Reich? Freiwillig?“
Ein hohles Lachen erklingt aus dem dunklen Loch der Kapuze. „Das hat bisher nur
einer gewagt und glaube mir, er bereut es bis heute. Willst du dich zu ihm
gesellen? Mir deine jämmerliche Seele darbieten, Mensch?“
Ich hätte nicht erwartet das man diese
Bezeichnung so abwerten aussprechen könnte.
„Vielleicht
nächstes Mal. Ich bin hier um dir ein Geschäft anzubieten.“
Wieder erklingt
dieses beängstigende Lachen. „Du, ein Mensch, willst mir, einem Gott, ein
Geschäft anbieten? Aber nein, nicht irgendeinen Gott. Ich bin der Gott der
Götter. Ich bin der Tod!“ Mit diesem letzten Wort wird die gesamte Sphäre
erschüttert. Alles scheint sich zu verschieben, ehe der Schöpfer dieser Welt
sich wieder fängt. „Und du wagst es mir ein Geschäft anzubieten?“
„Ja … Ich will
deine Waffe.“
Die Kutte legt
sich leicht auf die rechte Seite. „Die hier willst du?“ Eine pechschwarze Sense
erscheint in der Hand des Gottes, die Hände unter seiner langen Kutte verdeckt.
Bis auf die Farbe wirkt nichts an der Sense abnormal. Sie sieht aus wie eine
reguläre Sense, nur ohne den Griff zum Mähen. Denn diese Klinge wurde für einen
anderen Zweck geschaffen. Diesen Zweck wiederum spürt jedes Wesen was diese
Waffe betrachtet.
„Ja.“
„Wirklich? Du
willst diese seelenverschlingende Waffe?“ Er kommt langsam auf Samarus zu.
„Ja.“
„Bist du dir
absolut sicher? Eine winzige Berührung reicht aus und deine Seele gehört mir.“
„Ja.“
„Du solltest sie
vielleicht vorher einmal ausprobieren.“ Und mit diesem Satz berührt die Spitze
der Klinge Samarus Kopf. Ein leichter Schock durchzuckt ihn und er fällt um.
Leblos blicken seine Augen in den aschfahlen unnatürlichen Himmel.
„Menschen … Ich
habe noch nie eine so dumme Rasse gesehen.“
Gerade als er
sich wieder auf seinen Knochenthron setzen will, erklingt von Hinten eine
Stimme: „Ja, genau so hab ich mir das vorgestellt.“
Sofort wirbelt
der Gott herum und muss mit ansehen, wie sich dieser Mensch langsam wieder
aufrichtet. „Du bist vielleicht doch nicht ganz so langweilig, wie ich dich
eingeschätzt habe.“
Samarus klopft sich den Staub von der Tunika. „Das sagen
viele.“
„Also willst du diese
Waffe besitzen?“
„Nur ausleihen.“
„Ausleihen, du
willst also diese Waffe ausleihen?“
„Genau.“
„Und wofür? Was
könntest du mir schon geben? Deine Seele? Die bekomme ich sowieso. Mir gehören
alle Seelen! Mir gehören die Seelen eines jeden Menschens, jedem Halbwesens und
selbst die Kinder der Götter gehören mir!“
„Du hast die
Seelen der Drachen vergessen.“
Ein leichtes
Zucken erschüttert für einen Moment die Kutte.
„Dir gehören
doch die Seelen der Drachen oder nicht?“
„Wer bist du?“
„Mein Name ist
Samarus. Samarus Dev. Hocherfreut.“
„Was weißt du?“
„Nun ja, ich
weiß das Drachen an nicht glauben. Damit sind sie wohl einzigartig unter den
intelligenten Wesen. Drachen vertrauen nur auf sich und auf ihre Geschwister.
Damit haben sie auch keine Götter und damit auch keine Wesen die ihre Seelen
beanspruchen könnten“, er grinst ihn an.
„Du willst also
meine Waffe zum ernten ihrer Seelen?“
„Ja.“
„Wie viele?“
„Tausende.“
Wieder ein
Zucken unter der Kapuze. „Wieso sollte ich Interesse an ihren Seelen haben?“
„Vielleicht weil
die Seele eines Drachen heller strahlt, als die von hunderten von Menschen?
Oder vielleicht auch einfach nur, weil du noch nie eine kosten konntest.“
Stille breitet
sich aus. Diese tote Welt wirkt sofort noch trostloser.
„Hier.“ Nach endlosen Minuten hält der Gott ihm die Sense
hin.
Zufrieden
stiehlt sich ein kurzes Lächeln in Samarus Gesicht. In dem Moment als er nach
der Waffe greift, durchzuckt ihn ein gewaltiger Schmerz und er muss mit Entsetzen
ansehen wie sich seine Haut samt Fleisch vom Knochen löst. Erst beim Finger,
dann bei der Hand und hoch über den Ellenbogen. Erst kurz vor seiner Schulter
hört der Zerfall auf.
„Viel Spaß
damit“, kommt es hämisch unter der Kutte hervor.
Mit schwerem
Atem richtet sich Samarus wieder auf. Als er sich umdreht und gehen will ruft
der Gott ihm ein „Auf Wiedersehen“ nach
und lacht dabei.
Samarus blickt
kurz zurück. „Nicht so bald, wie du dir erhoffst.“
Dieses Mal wird
die Sphäre durch das tote Lachen eines Gottes erschüttert.
Samarus Blick fokussiert sich wieder. „Ja, das ist die
Waffe für die ihr sie haltet.“ Er blickt wieder hoch in die Augen des
Marshalls, der verzweifelt im eisenstarken Griff seiner Hand nach Luft
schnappt. „Solltet ihr euch auch nur an einen Unschuldigen vergreifen, werde
ich euer aller Seelen opfern. Habt ihr mich verstanden?“
Die umstehenden
Soldaten nicken panisch und bekunden ihr Einverständnis.
„Gut, da das
geklärt ist …“
Schwerfällig
knallt der Marshall auf den Boden.
„… entschuldigt
mich bitte. Ich muss noch einen guten Freund verraten.“
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