„Wollen wir nicht weiter nach vorne?“, fragt Bea Mark ins
Ohr.
„Nur wenn du
Ohrstöpsel dabei hast. Ich hatte schon einmal einen temporären Hörsturz und
will da nichts riskieren. Außerdem verpasst du da vorne eine der besten
Sachen“, erklärt er ihr nebulös.
Die ersten Töne
erklingen und schnell wird die Menge leise. Was sich sofort ändert, in dem
Moment wo die Band die Bühne betritt. Lauter Jubel erfüllt die Halle als die
Funkensprüher und die Knaller losgehen. Zu Beas Erstaunen scheinen die anderen
Besucher sich bisher wohl zurückgehalten zu haben, denn jetzt tobt die Menge
noch heftiger als bei den vorherigen Bands.
Bei dem Lied
‚Zigeunerskat‘ beginnt das, worauf Mark gewartet hat: Drei Meter von ihnen
entfernt machen sich einige Jungs Platz und formen einen breiten Kreis. „Ich
komm gleich wieder“, brüllt er Bea ins Ohr und zeigt auf den Kreis.
Sie hält ihm am Arm
fest. „Was wird das?“
Er grinst breit.
„Ein Moshpit!“
„Ah, warte, ich komme mit!“
„Sicher? Das kann
ziemlich ruppig werden. Nicht, dass du einen Ellenbogen ins Gesicht bekommst.“
„Passt schon.“ Sie
lächelt ihn an und schiebt ihn dabei in Richtung des Kreises.
Dort sind bereits
einige im Kreis und fangen wild an zu tanzen und sich zu stoßen. Es beginnt.
Mark hat sich gerade durch die letzten Menschen vor dem Kreis gedrängt und da
ist er schon mitten drin. Kurz hinter ihm ist Bea und kracht ihm lachend in den
Rücken. Schnell kommen immer mehr in den Kreis und die Meute wogt hin und her.
Das Lied endet und langsam aber sicher löst sich der Moshpit
wieder auf und wie durch ein Wunder, haben Mark und Bea es geschafft den Kreis
zusammen zu verlassen.
„Gott, bin ich
durchgeschwitzt“, lacht Mark, während er sein Hemd oben aufknöpft um sich etwas
Abkühlung zu verschaffen.
„Ja, aber das war
geil!“, stimmt ihm Bea vollkommen aus dem Häuschen zu.
„Aber sowas von!“,
ruft er ihr ins Ohr, inzwischen ist die Band längst wieder bei ihrem nächsten
Song und er versucht den lauten Ton des Dudelsacks zu übertönen. „Du hast ja
richtig Kraft in den Armen! Traut man dir gar nicht zu.“
Feixend präsentiert
sie ihm den Bizeps. Als sie erkennt welchen Song die Band angestimmt hat
springt sie schnell herum und brüllt laut mit der Menge: „Küss mich!“
Auch Mark
konzentriert sich wieder auf die Bühne und bemerkt erst jetzt, dass sie einige
Meter nach Links abgedriftet sind.
Keiner der mir die
Sicht versperrt, freut er sich innerlich.
Da fällt ihm etwas
ein und als er nach rechts sieht bemerkt er das Bea wohl nichts sehen kann. Vor
ihr stehen mehrere große Kerle.
„Hey, siehst du
überhaupt was?“, ruft er ihr ins Ohr.
„Nö, egal!“,
antwortet sie ihm kurz angebunden.
„Sicher?“, er sieht
sich kurz um. Um sie herum wird sie wohl nirgendswo was sehen können. „Soll ich
dich huckepack nehmen?“
„Was?“, sie hört
auf zu hüpfen und sieht Mark an.
Er klopft sich
selbst auf die Schulter. „Komm hoch, dann kannst du was sehen!“
Sie sieht sich kurz
um, ehe sie sich ein Herz nimmt und nickt.
Grinsend geht Mark
in die Hocke und sie steigt ihm vorsichtig auf die Schultern. Mit einem
heftigen Ruck drückt er sich wieder hoch und Bea beginnt zu kreischen.
„Das hast du mit
Absicht gemacht!“, ruft sie wütend nach unten und verpasst ihm einen Klaps auf
dem Kopf.
„Infame
Unterstellung!“, antwortet er und rückt sich ein wenig zurecht um bequem zu
stehen.
„Wow!“ Erst jetzt
scheint Bea die Aussicht zu bemerken. Die Arme weit ausgestreckt brüllt sie aus
vollem Herz „In Extremo!“
Auch Mark widmet
sich wieder dem Geschehen auf der Bühne.
Gerade als er vom Rhythmus des „Sternenregens“ getrieben
seinen Kopf leicht zur Seite neigt entdeckt er etwas, was sein Herz zum
Stillstand bringt: Narben. An Beas, im Rampenlicht erhellten, Oberschenkeln
sind mehrere feine Narben. Narben in unterschiedlichen Größen und Formen. Wie
betäubt starrt er ins Leere. Erst als Bea ihn auf den Kopf haut reagiert er.
„Hörst du mich
nicht?“, ruft sie erneut.
„Wie? Was?“
„Ich muss mal. Lass
mich eben runter!“
„Oh, ja“, antwortet
er ihr und geht vorsichtig in die Knie.
Schnell springt Bea
runter und drängt sich in Richtung der Toiletten.
Noch immer
geschockt verfolgt er wie sie am Ende der Halle in einen der Gänge
verschwindet. Als er sich wieder umdreht um wieder zur Bühne zu sehen, kann er
an nichts anderes Denken. Die Musik dudelt beiläufig an ihm vorbei. Das hätte
er niemals erwartet. Sie war zwar immer schon ruhig und vielleicht auch ein
wenig traurig, aber das? Gerade jetzt, wo er sie näher kennen gelernt hat,
hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Er schafft es einfach nicht, das
eben gesehene mit den Bildern von ihrem Lächeln und den Geräusch ihres Lachens
zu verbinden.
Ein heftiger
Schupser von hinten reißt ihn aus seinen Gedanken. Verwirrt dreht er sich um
und sieht in ihr strahlendes Lächeln.
„Na, hast du mich
vermisst? Ich musst ja Ewigkeiten anstehen und wofür? Das ist ja Selbstmord
sich dahin zu setzen“, angewidert verzieht sie das Gesicht.
Das Wörtchen ‚Vergangenheit‘
geht ihm durch den Kopf und so fängt er sich wieder. Lachend antwortet er ihr
mit erhobenen Zeigefinger: „Eine der goldenen Regeln: Es gibt niemals zu viel
Papier.“
Nach fast
zweieinhalb Stunden und zwei weiteren Zugaben beendet In Extremo ihr letztes
Lied und langsam aber sicher beginnen die Ersten sich in Richtung Ausgang
aufzumachen.
Als das letzte
Bandmitglied die Bühne verlässt fragt Mark: „So, wollen wir uns auch mal
aufmachen?“
„Ja, ok. Wie spät
ist es eigentlich?“
Kurz sieht er auf
sein Smartphone. „Zehn vor Zwölf.“
„Echt? Schon?“
„Du bist wohl noch
ganz fit, oder?“
„Ach geht so“,
freudig wippt sie dabei auf und ab.
„Hast du vielleicht
Hunger? Wir kommen ja erst gegen halb Zwei zuhause an.“
„Jetzt wo du es sagst“,
sie hält sich den Magen, „ja.“
Er lacht. „Ok, ich
hab dahinten beim Ausschank doch auch einen Imbiss gesehen.“
Vorsichtig drängeln
sich die beiden durch die Masse zum anderen Ende der Halle hin. Am Imbiss
angekommen bestellt Mark für beide ein Steakbrötchen. Da die Halle inzwischen
deutlich leerer geworden ist, können beide gemütlich ohne Gedränge
herauswandern. Draußen setzt sich Bea erst einmal auf die Mauer und beißt
genüsslich in ihr Brötchen.
„Und? Schmeckt es?“
„Mh, geht so.“
„Nicht so gut?“, er
beißt selber rein um es zu überprüfen. „Irgendwas fehlt da. Schmeckt so lasch“,
bestätigt er Bea.
„Ja … einen Moment.
Komme gleich wieder“, sagt sie und sprintet wieder zurück in die Halle.
Verwirrt blickt ihr
Mark hinterher.
Nach knapp einer
halben Minute kommt sie wieder angeflitzt. „Mach bitte kurz das Brötchen auf.“
Ein wenig verwirrt
hält er ihr sein Brötchen entgegen.
Nachdem Bea ihres
zur Seite gelegt hat holt sie eine Serviette hervor und öffnet sie.
Neugierig betrachtet
er den Inhalt. „Tomaten und Quark?“
„Sour Creme“,
korrigiert sie ihn. Mit geübten
Händen
belegt sie fix sein Brötchen und hält es ihm entgegen. „Hier, versuch es noch
einmal.“
„Ok.“ Herzhaft
beißt er rein. Grinsend bestätigt er ihr: „Hattest recht. Das war es!“
Sie grinst nur zur
Antwort.
„Da kommt wohl dein
kulinarisches Talent hervor, was?“
„Ja, super, nicht
wahr? Ich kann ein Steakbrötchen belegen. Da könnt ich doch glatt bei Subway
anfangen“, antwortet sie ihm sarkastisch.
„Hey, ich hab das ernst gemeint! Du wärst
bestimmt eine klasse Konditorin. Um die Berufsschule musst du dir auch keine
Sorgen machen. Wie gesagt, ich helfe dir, versprochen.“
Nervös betrachtet
sie ihn. „Ernsthaft?“
„Natürlich. Glaubst
du etwa ich verarsche dich?“, er hält kurz inne. „Weißt du was? Ich mach am
Montag mal früher Schluss und komm bei euch vorbei. Dann kannst du mir mal
deine Bewerbungsunterlagen zeigen und wir gehen die zusammen durch.“
„Danke, ich weiß
gar nicht wie ich dir danken soll.“
„Ist doch keine
Sache. Ich möchte nur, dass du deinen Traumjob findest.“
Sie überlegt kurz.
„Ist dein jetziger Job denn dein Traumjob?“
„Ganz ehrlich? Als
ich angefangen hatte ging es mir nur ums Geld. Ich wollte nur irgendwas machen,
was mir richtig viel Asche einbringt … aber inzwischen? Ich liebe die Arbeit“,
gesteht er ihr ehrlich.
„Echt?“, sie
verschlügt sich fast an ihrem Brötchen. „Entschuldige, aber du starrst doch den
ganzen Tag nur auf Zahlen. Ist das nicht langweilig?“
„Weißt du überhaupt
was ich genau mache?“
„Du arbeitest im
Risikomanagement einer Bank.“
„Ok, du hast also
ein bisschen aufgepasst“, amüsiert lehnt er sich zurück, „und was genau macht
man denn so im Risikomanagement?“
„Also naja“, sie
überlegt einen Augenblick, ehe sie antwortet: „Ihr überprüft Geschäfte und
überwacht den Finanzmarkt. In etwa wie ein Maat, der einen Sturm beobachtet und
Alarm schlägt wenn eine Welle droht das Schiff zu treffen oder es in die
falsche Richtung steuert.“
Erstaunt hebt Mark
seine Augenbrauen. Gespielt klatscht er in die Hände. „Meinen Glückwunsch. Du
bist das erste Mitglied unserer Familie, das begriffen hat was ich mache. Das
trifft es recht gut.“
Sie wird rot.
„Aber sag mir:
Klingt das für dich langweilig?“, fragt er Bea.
„Irgendwie … nicht.
Ok, gut du …“, ehe sie den Satz beenden kann unterbricht sie sich selber. Sie
beobachtet gebannt wie eine Frau ein paar Meter von ihnen aus der Halle kommt.
Die Frau hat sich
wirklich in Schale geworfen: High Heels, Minirock, Korsage und ein Körper mit
dem man das problemlos tragen kann. Ihre lange Mähne schwingt hinter ihr her.
Weiter unterhalb der Halle trifft sie sich mit einer Gruppe, die wohl auf sie
gewartet haben. „Sie dir die mal an“, flüstert sie leise zu Mark.
„Mh? Ach, das ist
Sonja. Ich würd euch ja einander vorstellen, aber sie kann mich nicht
ausstehen.“
„Du kennst sie?
Woher?“
„Sie ist eine Ex
von mir. Hat nicht gerade gut geendet zwischen uns.“
„Warum?“
„Naja, wir hatten
uns damals ganz zwanglos ein paar Mal getroffen. Nichts wirklich Festes. Ihr
hatte es damals dann allerdings nicht so gefallen, dass ich was mit ihrer
Nachbarin hatte.“
Wütend sieht Bea
ihn an. „Das würde wohl keiner gefallen.“
„Weiß ich jetzt ja
auch. Damals allerdings? Ich hatte keine Ahnung und habe es nicht wirklich
verstanden. Was Beziehungen angeht war ich nie wirklich gut. Ich hab versucht
mich bei ihr dafür zu entschuldigen, aber sie hat verständlicherweise komplett
abgeblockt.“
„Mh, scheinbar ist
sie aber über dich hinweg“, sie zeigt runter auf die Gruppe, wo die Sonja
gerade einen der Männer in der Gruppe umarmt und küsst.
„Ja, sieht so aus.
Gut so.“
Bea beobachtet die
Gruppe weiter. Gerade als sie sich auf den Weg machen murmelt sie traurig:
„Wenn ich so ein Outfit nur auch tragen könnte.“
„Warum? Du siehst
doch klasse aus“, fragt er sie verwirrt.
„Ja sicher. Wenn du
das sagst …“
„Das hab nicht nur
ich gesagt. Auch die Kerle, die hinter uns standen. Die haben dir ständig auf
den Arsch gestarrt.“
Geschockt sieht sie
ihn an. „Ernsthaft?“
„Klar, hast du das
etwa nicht mitbekommen?“, er kichert kurz, „ich musste die sogar finster
anstarren, damit sie das lassen. Wär ich nicht da gewesen hätten dich bestimmt
einige angebaggert.“
Entgeistert glotzt
sie ihn an. „Es hätten mich bestimmt einige angebaggert?“, wiederholt sie
ungläubig seine Worte.
„Ja. Sorry, wenn
ich dir die Tour vermasselt habe, aber …“, er hält inne, als er Bea ins Gesicht
schaut. Ein dümmliches breites Grinsen hat sich dort ausgebreitet. Er schüttelt
nur seinen Kopf, ehe er zu ihr sagt: „Komm, lass uns losfahren.“
Die Fahrt nach Hause vergeht wie im Flug. Nicht nur weil
Mark das Gaspedal bis zum Anschlug durchdrücken und der Audi so zeigen konnte
was er wert war, sondern auch weil sich beide pausenlos unterhalten haben. Die
Themen variierten von dem Konzert, über ihre sonstigen Hobbys, bis hin zu ihren
Zukunftsplänen.
So war es kein
Wunder, dass Bea verdutzt fragt, „Oh, sind wir etwa schon da?“, als sie ihre
Auffahrt sieht.
„Ja, bei knapp
zweihundertfünfzig Kilometern pro Stunde ist man recht schnell an seinem Ziel“,
antwortet ihr Mark, während er die Auffahrt hochfährt und den Wagen zum Stehen
bringt. „So, da wären wir.“
„Ok, du kommst dann
also am Montag vorbei? Um wie viel Uhr denn?“
„Kann ich noch
nicht genau sagen. Ich schätze mal so gegen sechszehn Uhr. Ich ruf vorher noch
einmal kurz an.“
„Gut. Nochmals
vielen Dank für deine Hilfe.“
„Kein Problem, aber
weißt du? … Mir ist da eine Gegenleistung eingefallen die du machen könntest.“
„Mh?“, sie
betrachtet ihn von der Seite. Nervös spielt er mit dem Lenkrad, wobei er steif
nach vorne sieht. „Schieß los.“
„Ich, also, ich
möchte dich darum bitten dir eine Bitte um einen Gefallen anzuhören.“
Verwirrt sieht sie
ihn an. „Eine Bitte um eine Bitte?“
„Ja, diese Bitte
ist sehr persönlich. Ich möchte nur, dass du dir meine Bitte vollständig
anhörst. Das ist alles. Du kannst sie ablehnen oder auch einfach nichts dazu
sagen und ich werde sie nie wieder wiederhohlen.“
Jetzt wird sie
nervös. Trotzdem sagt sie: „Gut, stell deine Bitte.“
„Danke. Einen
Moment“, hält er sie hin. Schnell holt er einen Notizblock und Stift aus der
Fahrertür und schreibt schnell etwas auf. Als er fertig ist gesteht er ihr:
„Ich … bei dem Konzert habe ich etwas gesehen. Als du auf meinen Schultern saßt
da habe ich zufällig“, er hält inne und muss erst einmal seinen Mut sammeln,
ehe er weiterspricht: „Ich habe deine Oberschenkel gesehen.“
Bei diesem letzten
Satz zuckt sie zusammen.
Nervös betrachtet
er sie aus den Augenwinkeln und beobachtet wie sich ihr gesamter Körper
anspannt. Ihre Hand ist fest um den Türgriff des Wagens geklammert. Doch noch
hat sie die Tür nicht geöffnet, also fährt er fort: „Ich kann verstehen wie du
dich manchmal fühlst und warum du das machst. Manchmal da … da muss man fühlen,
dass man noch lebt und zumindest irgendwas empfindet. Aber dieses Verlangen dir
selbst zu schaden kann … es kann leicht nach hinten losgehen und dich
vollständig vernichten. Vertrau mir da bitte. Ich habe es selbst erlebt. Du
machst einen Fehler, rutschst einmal ab und schon … war es das. Ich möchte
nicht, dass dir das passiert. Hier“, er legt den Zettel vor ihr aufs
Armaturenbrett, „das obere ist meine Nummer und die darunter, die von einer
Hilfsorganisation. Falls du noch einmal dieses Bedürfnis hast, möchte ich dich
darum bitten eine dieser Nummern zu wählen und darüber zu reden.“
Langsam senkt sich
Beas Kopf und sie starrt den Zettel vor sich an. Es vergeht über eine Minute,
ehe sie ihn fragt: „Du hast es selbst erlebt?“
Er schluckt. „Ja.
Weißt du von meiner ersten Freundin?“, fragt er sie.
„Ja, mein Bruder
hat mir beiläufig von ihr erzählt. Ihr wart zwei Jahre zusammen, ehe ihr
Schluss gemacht habt, oder?“
„Nein, sie hat
Schluss gemacht“, antwortet er ihr verbittert. „Ich war damals siebzehn und
total in sie verliebt. Ich hätte wohl alles für sie getan. Ein Lächeln von ihr
war … unbeschreiblich. Aber dann hat sie mir einfach den Laufpass gegeben. Sie
hat gesagt ich wäre ein Weichei und würde es nie zu etwas bringen“, er
unterbricht sich. Diese Worte nagen noch immer schwer an ihm. „Sie wollte einen
richtigen Mann. Daraufhin ist sie weggezogen und ich habe sie erst einmal nicht
mehr gesehen …“
Gerade als Bea ihm
ihr Mitleid aussprechen will fährt er fort: „Ich war am Boden zerstört und habe
mich in Selbstmitleid gesuhlt. An jedem Wochenende habe ich mich bis obenhin
zugeschüttet. Ich weiß bis heute nicht genau warum, vielleicht in der Hoffnung
ihr zu zeigen ich könnte doch etwas erreichen … ach keine Ahnung. Jedenfalls
habe ich mich dann in unsere Uni eingeschrieben und BWL studiert. Knapp zwei
Jahre sind vergangen, bis ich über einem entfernten Bekannten von ihr erfahren
habe, dass sie nach Frankreich gezogen ist. Er konnte mir sogar ihre genaue
Adresse sagen.“
„Bist du etwa?“
„Dumm wie ich
damals war? Ja, in den Semesterferien bin ich für zwei Wochen nach Frankreich
geflogen und habe dort Urlaub gemacht. Wobei ich im Grunde am Tag nach meiner
Ankunft sofort zu ihr gegangen bin. Wohl mit Abstand einer der dümmsten Fehler
meines Lebens. Wobei ich sie sogar angetroffen habe. Ich habe ihr sofort
erzählt was ich erreicht habe, wie gut meine Klausuren waren und das sogar eine
Bank Interesse an mir hätte. Ich habe sie angefleht wieder zurück zu mir zu
kommen.“
„Lass mich raten:
Sie hat dich abblitzen gelassen?“
„Wenn es das nur
gewesen wäre. Sie hat mich ausgelacht …“
„Oh …“
„Und ihren Freund
geholt, einen muskelbepackten Kerl im feinen Nadelanzug. Der hat mir dann
gleich, für meinen Annäherungsversuch, die Fresse poliert.“
„Oh Gott. Das tut
mir so leid … was ist dann passiert?“, fragt Bea.
„Du kannst dir
denken: Ich war fertig mit der Welt. Ich habe mich in die nächste Kneipe
geschleppt und habe gesoffen. Ich hab mir solange die Birne zugeschüttet, bis
man mich rauswarf. Dann bin ich in die nächste Kneipe und habe weitergesoffen.
Das ging solange bis ich am nächsten Morgen im Krankenhaus aufgewacht bin.“
Geschockt schnappt
Bea nach Luft.
Mark lässt den Kopf
hängen. „Einer der Kneipenbesucher, ich weiß bis heute nicht wer, hat mich halb
bewusstlos in den Straßen gefunden und richtig reagiert. Er hat den Notdienst
gerufen und sie haben mich sofort mitgenommen. Im Krankenhaus hat man mir den Magen
ausgepumpt. Ansonsten wäre ich wohl an einer Alkoholvergiftung krepiert.“
Es vergeht einige
Zeit bis Bea ihre Stimme wiederfindet. „Scheiße, davon habe ich … ich habe
davon nie etwas gehört.“
„Kannst du auch
nicht. Das Krankenhaus hat niemanden verständigt und so habe ich den Rest
meines Urlaubes dort verbracht und bin dann wieder zurück nach Deutschland
geflogen. Ich habe es bis heute niemanden erzählt.“
Stille breitet sich
aus.
Nach einigen
Minuten sagt Bea: „Ich … ich geh dann einmal rein. Danke.“
„Wofür?“
„Für den Abend, das
du mir deine Hilfe angeboten hast, das du mir das erzählt hast, für alles.“
Er zuckt mit den
Schultern. „Kein Problem.“
Sie öffnet die Tür. Doch ehe sie aussteigt hält sie einen
Moment inne, schnappt sich den Zettel und sagt kurz angebunden: „Bis Montag
dann. Tschüss.“ Schon hat sie den Wagen verlassen und die Tür hinter sich
zugeschlagen.
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